Coronavirus-FAQ

Hilfeplanung

Bislang ist von uns bekannten Ausgangssperren die berufliche Tätigkeit nicht umfasst. Auch für den Fall von Ausgangsperren ist daher derzeit davon auszugehen, dass einer Tätigkeit zur Hilfeerbringung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe weiter nachgegangen werden darf. Zu beachten ist, dass ggf. eine Bescheinigung des Arbeitgebers erforderlich ist, dass die Tätigkeit nicht im Homeoffice erledigt werden kann.

Die Weiterführung von ambulanter Hilfen zur Erziehung (HzE) ist auch in der Regel von besonderer Wichtigkeit, insbesondere in Fällen, in denen sich die Belastungssituation in der Familie durch die Maßnahmen (Schulschließungen, Ausgangssperren) noch verschärft und ein besonderer Hilfebedarf vorliegt. Freilich erfordert es die Situation wie in anderen Bereichen auch, besondere Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen (Hygiene, Abstand halten) und sind ggf. weitere staatliche Vorgaben einzuhalten. Im Fall von ambulanten Hilfen, wie einer SPFH, bieten sich unter Umständen auch alternative Formen der Hilfeerbringung wie etwa Treffen im Garten der Familie oder eine Videokonferenz an. Ob eine Tätigkeit/Hilfe auch im Homeoffice erbracht werden kann, hängt also von der Situation in der jeweiligen Familie ab.

Die Gestaltung der ambulanten Hilfen muss freilich den jeweils aktuellen Beschränkungen im jeweiligen Bundesland entsprechen, was die Möglichkeiten jedenfalls erschwert:

In den Bundesländern gelten teilweise die zwischen den Ministerpräsidenten der Länder und der Bundeskanzlerin abgestimmten Regelungen, teilweise aber auch voneinander abweichende Allgemeinverfügungen (s. im Einzelnen Materialpool „Verordnungen/Allgemeinverfügungen der Länder“). Teilweise ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet. Teilweise ist Sport und Bewegung nur einzeln oder im kleinsten Familienkreis des eigenen Haushalts von nicht mehr als 5 Personen erlaubt. Teilweise darf das Haus nur bei Vorliegen triftiger Gründe verlassen werden. Dazu zählen unter anderem die Ausübung beruflicher Tätigkeiten und Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes und ohne jede sonstige Gruppenbildung.

Wenngleich der Spaziergang im öffentlichen Raum im Fall ambulanter Hilfen dem beruflichen (für den ein Nachweis erbracht werden könnte) und nicht dem privaten Bereich unterfällt und dadurch zudem grundsätzlich die Ansteckungsgefahr reduziert werden könnte, ist derzeit wohl zu empfehlen, zur Vermeidung von Kontrollen mit Nachweispflichten und den sich ständig wechselnden Vorgaben der Bundesländer derzeit von gemeinsamen Spaziergängen mit der betreuten Familie abzusehen. Die Durchführung von Treffen im Garten bleibt eine sinnvolle Möglichkeit zur Gestaltung von Besuchen. Unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln ist – soweit ersichtlich – aber auch das Aufsuchen einer Familie im häuslichen Umfeld durch eine einzelne Fachkraft möglich.

Auch die Jugendämter müssen aktuell ihre Abläufe daraufhin prüfen, wie sie den Empfehlungen und Anordnungen im Hinblick auf die Eindämmung des Coronavirus gerecht werden können. Damit gehen Einschränkungen einher, die sich auch auf gängige, zT gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensweisen, erstrecken.

So kann es in Einzelfällen dazu kommen, dass Hilfeplangespräche und -konferenzen ausfallen müssen. Allerdings sollte natürlich versucht werden, die Hilfeplangespräche und -konferenzen in modifizierter Form (bspw. mittels Telefon- oder Onlinekonferenzen) durchzuführen. Je nach Fallkonstellation kann es aber auch erforderlich sein, die Hilfeplanung im persönlichen Kontakt durchzuführen. Hierbei sind immer die Abstands- und Hygieneregeln sowie die jeweils aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen zu beachten. Ist ein Hilfeplangespräch oder eine Hilfeplankonferenz im Einzelfall tatsächlich aktuell nicht möglich,  darf dies aber im Interesse der Betroffenen nicht dazu führen, dass dringend benötigte Leistungen nicht gewährt oder fortgesetzt werden.

Von den gesetzlichen Möglichkeiten, Vorschüsse (§ 42 SGB I) und vorläufige Leistungen (§ 43 SGB I) zu gewähren, ist Gebrauch zu machen. Auch auf die Möglichkeit der Selbstbeschaffung von Leistungen sei hingewiesen (§ 36a Abs. 3 SGB VIII). Danach ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur nachträglichen Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet, wenn die Voraussetzungen für die Hilfegewährung vorlagen und die Deckung des Bedarfs bis zu einer Entscheidung keinen Aufschub geduldet hat. Grundsätzlich müssen Leistungsberechtigte den Träger zudem vorher über den Hilfebedarf informieren. Dies kann aber nachgeholt werden, wenn es vorübergehend nicht möglich war.

Jugendämter sollten diese Möglichkeiten nutzen und die Leistungsberechtigten darauf auch proaktiv hinweisen. Sobald dies wieder möglich ist, sind die entsprechenden Verfahrenshandlungen nachzuholen.

Können aufgrund von Arbeitsausfällen oder aufgrund von Schutzmaßnahmen in den Jugendämtern Hilfeplanungen vorübergehend nicht durchgeführt werden, so kann die Möglichkeit der niedrigschwelligen Zulassung von Hilfen ohne vorherige Hilfeplanung (§ 36a Abs. 2 SGB VIII) verstärkt genutzt und die Hilfeberechtigten darauf proaktiv hingewiesen werden. Zwar ist bei Hilfe zur Erziehung (HzE) eine Hilfeplanung in Fällen von längerer Hilfedauer oder größerer Intensität der Hilfe grundsätzlich erforderlich. Ist diese vorübergehend nicht möglich, so dürfte aber die Möglichkeit der Selbstbeschaffung gegeben sein (§ 36a Abs. 3 SGB VIII). Die Hilfeplanung sollte dann nachgeholt werden, sobald sich die Situation entspannt hat. Hilfeplanungen während laufender Hilfen können ebenfalls ausgesetzt und nachgeholt werden, sobald sich die Situation normalisiert hat.

Generell sei im Zusammenhang mit Hilfeplangesprächen darauf hingewiesen, dass sich unter Umständen auch pragmatische Lösungen wie Hilfeplankonferenzen via Videokonferenz anbieten (s. FAQ unter der Rubrik Datenschutz), um das Zusammenkommen einer größeren Personenzahl im Rahmen von Hilfeplangesprächen zu verhindern und damit die Ansteckungsgefahr zu reduzieren. Eine pauschale Aussetzung von Hilfeplangesprächen oder die pauschale Online-Durchführung von Hilfeplangesprächen kommt nach Einschätzung des Instituts aber nicht in Betracht. Es ist vielmehr im konkreten Einzelfall – auch unter Berücksichtigung der dynamischen Pandemieentwicklung und regionaler Unterschiede – zu überlegen, ob und in welcher Form Hilfeplangespräche aktuell möglich sind.

Wenn aufgrund von Erkrankungen oder Quarantänen Betreuungskräfte fehlen und Einrichtungsschließungen drohen, wird zu unterscheiden sein:

Ist die Hilfe in Form der stationären Unterbringung zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung erforderlich, muss vom Jugendamt eine andere stationäre Hilfe für die Zeit der Schließung zur Verfügung gestellt werden. Eine Rückführung zu den Eltern kommt in dieser Situation nicht in Betracht. Vorzugsweise sollte versucht werden, durch Ersatzpersonal einen Verbleib in der bisherigen Einrichtung zu ermöglichen (s. hierzu auch die FAQ zu den Voraussetzungen im Notbetrieb unter der Rubrik Stationäre Hilfen).

In anderen Fällen von stationären Hilfen kommt eine vorübergehende Rückkehr zu den Eltern (ggf. bei Gewährung ambulanter Hilfen und ggf. mit der Folge der Quarantäne der Familien) in Betracht, bis das Personal wieder gesund oder aus der Quarantäne entlassen ist. Zuvor sind allerdings alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die vorübergehende Schließung der Einrichtung zu vermeiden.

Bei ambulanten Hilfen muss ebenso unterschieden werden. Ist die Hilfe also zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung erforderlich und unterfällt daher dem Schutzauftrag des Staates, muss sie mit allen Möglichkeiten fortgesetzt und ggf. sogar erweitert werden, um der gesteigerten Belastungssituation in der Familie infolge Schul- und Kitaschließungen, Kontaktbeschränkungen, Existenzängsten usw. gerecht zu werden. Und generell ist nach Möglichkeiten zu suchen, Hilfebedarfen (bspw. durch telefonische Beratung) weiterhin so gut wie möglich gerecht zu werden.

Mit der Unterbrechung wird formalrechtlich der Rechtsanspruch auf Hilfe nicht erfüllt, was sich jedoch in der derzeitigen Krisensituation in manchen Fällen nicht vermeiden lässt.

Zunächst ist festzustellen, dass zwar bei Rechtsansprüchen und damit auch bei Hilfe zur Erziehung (HzE) der Einwand objektiver Unmöglichkeit aufgrund von Kapazitätsproblemen grundsätzlich ausscheidet. Jedoch war insbesondere zu Beginn der Coronapandemie zu berücksichtigen, dass kein Verschulden für die Unmöglichkeit vorlag, so dass bspw. Amtshaftungsansprüche infolge der vorübergehenden Nichterfüllung ausscheiden dürften. Aufgrund der zwischenzeitlich entwickelten und zur Verfügung stehenden alternativen Methoden der Hilfeerbringung und der Etablierung weitgehender Hygienestandards ist aber davon auszugehen, dass die Hilfeerbringung in der Regel möglich sein dürfte.

Da es keine Formerfordernisse für die Beantragung von Hilfen nach dem SGB VIII gibt, sondern es ausreichend ist, dass die Leistungsberechtigten mit der Hilfe einverstanden sind, ist eine telefonische Beantragung möglich. Grundsätzlich setzt die Gewährung von Hilfe zur Erziehung (HzE) die Zustimmung des Personensorgeberechtigten, bei gemeinsamem Sorgerecht das Einverständnis beider sorgeberechtigten Elternteile, als Inhaber des Rechtsanspruchs auf HzE voraus. Bei getrennt lebenden Elternteilen kommt es darauf an, ob es sich bei der zu gewährenden Leistung um eine Hilfe handelt, die der Alltagssorge (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB) unterfällt. Ist dies der Fall, kann der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält, allein über die Inanspruchnahme entscheiden. Bei nicht auf Dauer angelegten niedrigschwelligen Hilfen nach § 27 Abs. 2 S. 2 SGB VIII, die insbesondere darin bestehen sollen, den Kontakt zu der Familie zu halten und diese bei der notwendigen Versorgung zu unterstützen, handelt es sich nach unserer Einschätzung um eine Angelegenheit, die der Alltagssorge zuzurechnen ist, sodass die eindeutige Willensbekundung des Elternteils, bei dem sich das Kind aufhält, ausreichend ist. Auch wenn die Hilfe nicht als HzE sondern nach § 20 SGB VIII gewährt wird, reicht die telefonische Beantragung durch einen Elternteil aus (s. hierzu auch FAQ zur Sicherstellung der Versorgung unter der Rubrik Ambulante Hilfen zur Erziehung).

Soweit eine persönliche Durchführung von Hilfeplangesprächen nicht möglich ist, empfiehlt das Institut, diese im Rahmen der Möglichkeiten auf Telefon- oder Videokonferenzen umzustellen. Auf diese Weise kann das Jugendamt über die Entwicklung der Hilfe in Kenntnis gesetzt und eine gemeinsame Planung verwirklicht werden.

Aus der aktuellen Situation, in der Gesundheitsgefahren durch eine Pandemie bestehen, ergeben sich zwischen öffentlichem und freiem Träger der Jugendhilfe keine besonderen Auskunftspflichten oder Übermittlungsbefugnisse aus datenschutzrechtlichen Vorschriften. Wie auch sonst ist der freie Träger verpflichtet und befugt (durch seine Vereinbarung mit dem Jugendamt bzw. den Klient*innen), dem Jugendamt die für seine Arbeit erforderlichen Informationen über den Hilfeverlauf zu übermitteln. Soweit aufgrund der eingeschränkten persönlichen Kontaktmöglichkeiten Bedarf besteht, die normalerweise üblichen Berichtspflichten zu modifizieren, sollte dies pragmatisch zwischen den Beteiligten vereinbart werden.