KJSG - FAQ

Kinderschutz

Berufsgeheimnisträger:innen (§ 8a Abs. 1 S. 2 SGB VIII)

§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII
(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt […], sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist,
1. […]
2. Personen, die gemäß § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.
[…]

 

§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII sieht die Beteiligung von Berufsgeheimnisträger*innen, die dem Jugendamt Informationen hinsichtlich einer (möglichen) Kindeswohlgefährdung übermittelt haben (§ 4 Abs. 3 KKG), an der Gefährdungseinschätzung vor, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist und soweit der wirksame Schutz des betroffenen Kindes nicht infrage gestellt wird. Die Vorschrift schafft eine explizite gesetzliche Grundlage für ein „aus fachlicher Sicht erforderliches Vorgehen zur Sicherstellung einer möglichst umfassenden Erkenntnisgrundlage für die Einschätzung der Gefährdung […], das jetzt bereits eine gute Praxis im Kinderschutz ausweist“ (BT-Drs. 19/26107, 74).

Die fallzuständigen Jugendamtsfachkräfte müssen im konkreten Einzelfall prüfen, ob die Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist. Da es um die Ermöglichung einer ausreichenden Erkenntnisgrundlage für die eigene Gefährdungseinschätzung des Jugendamts geht, kann eine Einbeziehung erforderlich sein, wenn das Jugendamt im Einzelfall noch weitere Erkenntnisse braucht, die es ohne Einbeziehung nicht oder nur sehr erschwert erlangen kann. Sinnvoll kann eine Beteiligung zB sein, wenn die mitteilende Person aufgrund ihrer beruflichen Vertrauensbeziehung zu der Familie Informationen beitragen kann, die eine möglichst fundierte Gefährdungseinschätzung ermöglichen. So kann es bspw. erforderlich sein, ein*e Sozialpädagog*in aus der Kita (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KKG) an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen, der*die die Auswirkungen von elterlichem Verhalten auf das Kind gut beurteilen kann. In diesem Rahmen kann es den aus fachlicher Sicht benötigten gemeinsamen Austausch über die Situation des Kindes geben, zusätzlich zu den bereits nach § 4 Abs. 3 KKG an das Jugendamt gegebenen Informationen. Auch wenn die Eltern die Kita-Betreuung nach der Mitteilung durch die Fachkraft der Kita abbrechen, kann fachlich erforderlich sein, gerade die mitteilende Person an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen, weil diese bspw. ganz konkrete Beobachtungen im Hinblick auf das Kind oder die Interaktion mit den Eltern gemacht hat. In Betracht kommt zB auch die Einbeziehung eines*einer Suchtberater*in, der*die einschätzen kann, inwieweit die Eltern aktuell in der Lage sind, sich um das Kind zu kümmern, oder auch die Beteiligung des*der behandelnden Kinderärzt*in, wenn es um die Möglichkeiten der angemessenen Versorgung des Kindes geht. Besteht für die Gefährdungseinschätzung ein Bedarf an medizinischer Beurteilung (bspw. zu möglichen Verletzungsursachen) kann aber auch anderweitige Expertise in anonymisierter Form eingeholt werden. Bei der Entscheidung, ob die mitteilende Person an der Gefährdungseinschätzung beteiligt wird, sind die Entscheidungskriterien für eine Beteiligung ggf. mit den Auswirkungen der Beteiligung auf den weiteren Hilfezugang und den Aufbau und Erhalt einer Vertrauensbeziehung (des Jugendamts und der mitteilenden Person) zu den Beteiligten aus dem Familiensystem in Einklang bringen. Gegen eine Beteiligung kann es sprechen, wenn das Vertrauensverhältnis der Familie zu der mitteilenden Person bereits stark geschädigt ist und die Familie sich explizit dagegen ausspricht. In jedem Fall unterbleibt die Beteiligung, wenn hierdurch der wirksame Schutz des Kindes infrage gestellt wird (vgl. zum Ganzen DIJuF-Rechtsgutachten v. 9.12.2021 – SN_2021_1465, abrufbar unter www.dijuf.de/fileadmin/Redaktion/Startseite/Aktuelles/DIJuF-Rechtsgutachten_JAmt_2022__98.pdf).

§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII
(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt […], sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist,
1. […]
2. Personen, die gemäß § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.
[…]

 

Die in § 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII vorgesehene Einbeziehung von Berufsgeheimnisträger*innen, die das Jugendamt nach § 4 Abs. 3 KKG über eine (mögliche) Kindeswohlgefährdung informiert haben, soll in geeigneter Weise erfolgen. Genauere Vorgaben zur Eignung der Art und Weise macht das Gesetz nicht.

Die Eignung der Art und Weise der Beteiligung ist daher einzelfallabhängig zu prüfen. In die fachliche Entscheidung darüber, wie die mitteilende Person an der Gefährdungseinschätzung beteiligt wird, sind vergleichbare Überlegungen einzustellen wie bei der Frage, ob die mitteilende Person an der Einschätzung beteiligt wird (vgl. FAQ: In welchen Fällen sind Berufsgeheimnisträger*innen, die eine (mögliche) Kindeswohlgefährdung mitgeteilt haben, an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen?).

Die Beteiligung des*der mitteilenden Berufsgeheimnisträger*in dient der „Sicherstellung einer möglichst umfassenden Erkenntnisgrundlage für die Einschätzung der Gefährdung (BT-Drs. 19/26107, 74). Bei der Entscheidung hinsichtlich der geeigneten Art und Weise der Einbeziehung ist also zu überlegen, wie die Beteiligung dieser Person im konkreten Einzelfall aussehen kann, um eine möglichst umfassende Grundlage für die Gefährdungseinschätzung zu gewinnen. Daneben sind auch die Auswirkungen auf den weiteren Hilfezugang und den Aufbau und Erhalt einer Vertrauensbeziehung (des Jugendamts und der mitteilenden Person) zu den Beteiligten aus dem Familiensystem wichtige Entscheidungskriterien für die genaue Art und Weise der Einbeziehung. Je nach Einzelfall und unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist denkbar, dass die fallzuständige Fachkraft den Austausch mit dem*der Berufsgeheimnisträger*in sucht, um durch Nachfragen zu dem bereits mitgeteilten Sachverhalt für die Gefährdungseinschätzung erforderliche weitere Informationen zu erlangen. Dies kann bspw. auch die Frage nach Ressourcen der Familie oder nach dem aktuellen Stand der Hilfe- und Vertrauensbeziehung zwischen der mitteilenden Person und der Familie betreffen, um sich ein besseres Bild von den Möglichkeiten der Gefährdungsabwendung zu machen. Ebenso ist denkbar, dass die mitteilende Person zur Gefährdungseinschätzung mit den Beteiligten aus dem Familiensystem dazu kommt. Fachlich bietet sich dies insbesondere an, wenn die Hilfebeziehung zu der mitteilenden Person (bspw. zu einer das Kind im Rahmen der Kindertagesbetreuung betreuenden Fachkraft) belastbar erscheint und die Erziehungsberechtigten bereit sind, auch in diesem Rahmen Hilfe anzunehmen. So sind auch Fallkonstellationen vorstellbar, in denen es den Erziehungsberechtigten wichtig ist, dass die Person, die die Informationen an das Jugendamt weitergegeben hat, mit am Tisch sitzt, weil es sich um eine Person handelt, zu der sie Vertrauen haben. Dies ist insbesondere in einem Fall denkbar, in dem es der mitteilenden Person gelungen ist, den Beteiligten aus dem Familiensystem deutlich zu machen, dass die Familie nicht etwa dem Jugendamt „gemeldet“ wird, sondern dass es darum geht, die Familie zu unterstützen. Hingegen sollte die Einbeziehung in die gemeinsame Gefährdungseinschätzung mit der Familie unterbleiben, wenn die Familie sich dagegen ausspricht. Zusammenfassend bedarf es einer dem konkreten Einzelfall angepassten Beteiligung der mitteilenden Person mit dem Ziel, die Gefährdung bestmöglich einzuschätzen, eine Vertrauensbeziehung (sowohl zu den fallzuständigen Fachkräften des Jugendamts als auch zu der mitteilenden Person) zu ermöglichen und zu erhalten und Hilfezugänge offenzuhalten. Um dies zu erreichen, sollten insbesondere folgende Kriterien berücksichtigt werden: geeignete Form der Beteiligung (zB schriftlich, telefonisch oder persönlich mit oder ohne die Familie), der geeignete Zeitpunkt, der Wille des betroffenen Kindes und der Wille der Erziehungsberechtigten (vgl. zum Ganzen FAQ: In welchen Fällen sind Berufsgeheimnisträger*innen, die eine (mögliche) Kindeswohlgefährdung mitgeteilt haben, an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen?).

§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII
(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt […], sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist,
1. […]
2. Personen, die gemäß § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.
[…]

 

Mit der expliziten Aufnahme der Beteiligung des*der mitteilenden Berufsgeheimnisträger*in an der Gefährdungseinschätzung in das Gesetz wollte der Gesetzgeber die bereits gelebte Praxis guten Kinderschutzes durch Sicherstellung einer umfassenden Grundlage für die Gefährdungseinschätzung gesetzlich verankern. Insofern liegt in der Aufnahme kein Ausschluss weiterer Personen.

Um alle für die Gefährdungseinschätzung erforderlichen Informationen zu erlangen, kann es im konkreten Einzelfall auch fachlich erforderlich sein, andere Personen als diejenige, die das Jugendamt nach § 4 Abs. 3 KKG informiert hat, an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen. Bei der Entscheidung darüber, ob und in welcher Form weitere Personen an der Gefährdungseinschätzung beteiligt werden, sind die gleichen Kriterien ausschlaggebend wie bei der Beteiligung der mitteilenden Person (vgl. FAQ: In welchen Fällen sind Berufsgeheimnisträger*innen, die eine (mögliche) Kindeswohlgefährdung mitgeteilt haben, an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen? und Wie sind Berufsgeheimnisträger*innen, die eine (mögliche) Kindeswohlgefährdung mitgeteilt haben, an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen?).

§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII
(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt […], sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist,
1. […]
2. Personen, die gemäß § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.
[…]

 

Das Jugendamt soll die mitteilende Person in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung beteiligen, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist (§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII). Die für diese Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung erforderlichen Sozialdaten (§ 67 Abs. 2 S. 1 SGB X) dürfen der mitteilenden Person daher nach Auffassung des Instituts auf Grundlage von § 69 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGB X (zur Erfüllung einer sozialgesetzlichen Aufgabe des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe – Gefährdungseinschätzung) iVm § 64 Abs. 2 SGB VIII (sofern die Übermittlung nicht den Erfolg einer zu gewährenden Leistung infrage stellt) übermittelt werden. Das bedeutet, dass bspw. der*die behandelnde Kinderärzt*in nur dann auf Basis dieser Übermittlungsbefugnis und damit ohne Einwilligung der betroffenen Personen an der Gefährdungseinschätzung beteiligt werden darf, wenn dies nicht zu einem Vertrauensverlust führt, der den Hilfezugang erheblich erschwert oder gar vollständig versperrt.

Die Weitergabe anvertrauter Daten ist mit Einwilligung der anvertrauenden Person (§ 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII) zulässig. Zudem kommt die Weitergabe gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VIII in Betracht, also an die Fachkräfte, die zum Zweck der Abschätzung des Gefährdungsrisikos nach § 8a SGB VIII hinzugezogen werden. Nach hier vertretener Auffassung sind hiermit sowohl die Fachkräfte des Allgemeinen Sozialen Diensts (ASD) gemeint, die die Gefährdungseinschätzung im Fachteam durchführen, als auch externe Fachkräfte, die hinzugezogen werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Verweis auf die Regelung des § 64 Abs. 2a SGB VIII in § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VIII aE, wonach die Daten vor Übermittlung an eine Fachkraft, die nicht der verantwortlichen Stelle angehört, zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren sind, soweit die Aufgabenerfüllung dies zulässt. Es erscheint sinnvoll und letztlich auch konsequent, diese Weitergabebefugnis auch auf Personen, die das Jugendamt nach § 4 Abs. 3 KKG informiert haben, anzuwenden. Allerdings ist die grundsätzlich geforderte Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung in diesen Fällen naturgemäß nicht möglich. Daneben könnte man die Weitergabe anvertrauter Daten in diesem Zusammenhang wohl auch auf § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB VIII (iVm § 4 Abs. 3 KKG) stützen.

Wie stets sind auch bei der Sozialdatenübermittlung im Rahmen der Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Transparenz zu beachten.

§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII
(1) […] Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist,
1. […]
2. Personen, die gemäß § 4 Absatz 3 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz dem Jugendamt Daten übermittelt haben, in geeigneter Weise an der Gefährdungseinschätzung zu beteiligen.

 

§ 8a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB VIII regelt eine Pflicht der Fachkräfte des Jugendamts, die meldenden Berufsgeheimnisträger*innen bei Vorliegen der Voraussetzungen einzubeziehen, umgekehrt geht damit aber weder ein Mitwirkungsrecht noch eine Mitwirkungsverpflichtung der Berufsgeheimnisträger*innen einher. Sie unterliegen insofern keiner Rechtsverpflichtung, sich am Prozess der Gefährdungseinschätzung im Jugendamt zu beteiligen; auch dann nicht, wenn die Fachkräfte des Jugendamts die Mitwirkung für erforderlich halten (LPK-SGB VIII/Bringewat, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 8a Rn. 71). Das Jugendamt ist ferner nicht dazu ermächtigt, die Mitwirkung von Berufsgeheimnisträger*innen anzuordnen (LPK-SGB VIII/Bringewat SGB VIII § 8a Rn. 71).
Wohl aber kann sich – in einem gewissen Rahmen – aus den eigenen Rechtspflichten der Berufsgeheimnisträger*inen eine Pflicht zur Mitwirkung ergeben. Auch wenn keine Kooperationspflicht im Rahmen des Schutzauftrags des Jugendamts besteht, kann sich eine Pflicht zur Mitwirkung aus eigenen Schutzpflichten der Berufsgeheimnisträger*innen ergeben. Die Berufsgeheimnisträger*innen müssen insofern eigenverantwortlich prüfen, wie sie im Fall der Erforderlichkeit dem Schutz des Kindes begegnen sollten. Im Fokus stehen dabei die Pflichten aus § 4 KKG in Verbindung mit einer möglichen Garantenstellung gegenüber dem Kind. Nach § 4 KKG sollen Berufsgeheimnisträger*innen, wenn ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes bekannt werden, mit dem Kind und den Erziehungsberechtigten die Situation erörtern und, soweit erforderlich, bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes nicht infrage gestellt wird (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 KKG). Scheidet eine Abwendung der Gefährdung aus oder bleibt dieses Vorgehen erfolglos, und hält der*die Berufsgeheimnistäger*in das Tätigwerden des Jugendamts zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung für erforderlich, so ist er*sie befugt, das Jugendamt zu informieren und alle erforderlichen Daten weiterzugeben (§ 4 Abs. 3 S. 1, 2 KKG). Diese Befugnis kann sich zu einer Pflicht verdichten, wenn der*die Berufsgeheimnisträger*in eine Garantenstellung nach § 13 StGB innehat (LPK-SGB VIII/Kunkel/Kemper KKG § 4 Rn. 14). Für Berufsgeheimnisträger*innen, die einem Heilberuf angehören, ergibt sich zudem aus § 4 Abs. 3 S. 3 KKG eine Pflicht zur Information des Jugendamts, wenn nach deren Einschätzung eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des*der Jugendlichen das Tätigwerden des Jugendamts erfordert.
In vielen Fällen werden Berufsgeheimnisträger*innen ihren Schutzpflichten gegenüber dem Kind bereits durch die Information des Jugendamts ausreichend begegnet sein. Ob die für die Gefährdungseinschätzung erforderlichen Informationen bereits übermittelt wurden, wird sich nach dem jeweiligen Einzelfall richten. Im Verhältnis zum Jugendamt müssen die betroffenen Berufsgeheimnisträger*innen über ihre eigenen Pflichten letztlich in Eigenverantwortung entscheiden. Sie verleihen dem Jugendamt keine rechtliche Handhabe im Hinblick auf die Mitwirkung bei der Gefährdungseinschätzung.
Verweigern Berufsgeheimnisträger*innen die Mitwirkung bei der Gefährdungseinschätzung, fehlen den Fachkräften der Jugendämter ggf. wichtige Informationen für die Einschätzung des Gefährdungsrisikos. Da die Qualität von Gefährdungseinschätzungen maßgeblich von der Kenntnis der konkreten Umstände des Einzelfalls abhängig ist, kann dies ungenauere Ergebnisse der Gefährdungseinschätzung zur Folge haben. Es gilt daher, die Berufsgeheimnisträger*innen von der Wichtigkeit der Mitwirkung zu überzeugen. Möglicherweise können die Motive der Verweigerung der Mitwirkung (zB zu großer zeitlicher Aufwand, schlechte Kooperationserfahrung, keine weiteren Kenntnisse über den Fall) herausgefunden und folgend etwaige Bedenken ausgeräumt werden.

Berufsgeheimnisträger*innen (§ 4 KKG)

§ 4 Abs. 4 KKG
(4) Wird das Jugendamt von einer in Absatz 1 genannten Person informiert, soll es dieser Person zeitnah eine Rückmeldung geben, ob es die gewichtigen Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen bestätigt sieht und ob es zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen tätig geworden ist und noch tätig ist. Hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des*der Jugendlichen in Frage gestellt wird.

 

Die neu eingeführte Rückmeldepflicht in § 4 KKG bezieht sich auf Personen nach § 4 Abs. 1 KKG. Dabei handelt es sich um die sog. Berufsgeheimnisträger*innen, also um Personen nach § 203 StGB, bei denen die unbefugte Offenbarung eines Geheimnisses eine Straftat darstellt, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit im regelmäßigen Austausch mit Kindern, Eltern und Familien stehen, und für die § 4 KKG eine Befugnis zur Information des Jugendamts unter bestimmten Voraussetzungen regelt. Genannt sind beispielsweise Ärzt*innen, Berufspsycholog*innen und Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater*innen sowie staatlich anerkannte Sozialarbeiter*innen oder Sozialpädagog*innen und Lehrer*innen. Der Erzieherberuf in der Kindertagesbetreuung ist nicht von der Berufsgeheimnisträgerschaft in § 4 Abs. 1 KKG umfasst (FK-SGB VIII/Meysen, 8. Aufl. 2019, SGB VIII § 8b – Anhang – KKG § 4 Rn. 90). Die strikte Anknüpfung an Berufsgeheimnisträger*innen nach § 203 StGB wird zwar aus fachlicher Perspektive zu Recht kritisiert und im Interesse des Kinderschutzes eine Anknüpfung an die berufliche Funktion und die damit verbundenen Datenschutzverpflichtungen statt an die Berufszugehörigkeit als sinnvoller befunden (Wiesner/Wapler SGB VIII, 5. Aufl. 2015, Anh. 1 KKG § 4 Rn. 4). Der Gesetzgeber hat dies jedoch nicht zum Anlass genommen, die Gruppe der Befugten und Verpflichteten in § 4 KKG anzupassen. Entsprechend gilt auch die Neuregelung der Rückmeldepflicht nicht für Erzieher*innen.
Es ist auch keine andere gesetzliche Grundlage vorhanden, auf der eine pauschale Rückmeldung an Erzieher*innen über das Ergebnis der Gefährdungseinschätzung in Betracht kommt. Möglich ist eine Rückmeldung allerdings – neben einer ausdrücklichen Einwilligung der Betroffenen in eine aus fachlichen Gründen sinnvolle Rückmeldung –, wenn eine Einbeziehung der Erzieher*innen in die Gefährdungseinschätzung nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist und diese Einbeziehung auch einen gemeinsamen Austausch umfassen muss, der eine Information über die bisherigen Einschätzungen des Jugendamts bedingt. Eine solche Einbeziehung in die Gefährdungseinschätzung nach § 8a Abs. 1 SGB VIII ist im Fall der Erforderlichkeit möglich, auch wenn mit dem KJSG dort ausdrücklich nur meldende Berufsgeheimnisträger*innen genannt wurden. Bei der Neuregelung handelt es sich ohnehin nur um eine Klarstellung; Einbeziehungen in die Gefährdungseinschätzung waren auch schon vorher je nach fachlicher Einschätzung möglich – und oftmals schon gelebte – Praxis.

§ 4 Abs. 4 KKG
(4) Wird das Jugendamt von einer in Absatz 1 genannten Person informiert, soll es dieser Person zeitnah eine Rückmeldung geben, ob es die gewichtigen Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen bestätigt sieht und ob es zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen tätig geworden ist und noch tätig ist. Hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird.

 

Darf auf die Rückmeldung auch verzichtet werden?

Bei der Rückmeldeverpflichtung nach § 4 Abs. 4 KKG handelt sich um eine Soll-Verpflichtung, was bedeutet, dass grundsätzliche eine Rückmeldung erfolgen muss. Nur in atypischen Fällen darf von der Rückmeldung abgesehen werden, wobei das Jugendamt die Beweislast trifft, dass tatsächlich ein atypischer Fall vorlag (BVerwG 17.8.1978 – 5 C 33/77). Dass ein atypischer Fall ein besonderer Ausnahmefall ist, der sich durch sein rares Vorkommen auszeichnet, legt der Begriff bereits nahe. Ob ein atypischer Fall im Einzelfall vorliegt, muss die zuständige Fachkraft entscheiden. Bei dieser Entscheidung müssen die Hintergründe der Neuregelung Beachtung finden. Ziel der neu eingeführten Rückmeldeverpflichtung ist die Verbesserung des Kinderschutzes durch die stärkere Einbindung der Berufsgeheimnisträger*innen in Kinderschutzfälle (BT-Drs. 19/26107, 43; Meysen ua/Beckmann Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG, 2022, 185 [198]). Die Evaluation des Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG) hat ergeben, dass Berufsgeheimnisträger*innen strukturell engagierter in der Zusammenarbeit sind, wenn sie im Einzelfall über den Fortgang des Falls informiert werden. Für die Berufsgeheimnisträger*innen ist die Rückmeldung zudem für die eigene weitere Aufgabenerfüllung wichtig; so können sie einschätzen, ob ein weiteres Tätigwerden ihrerseits erforderlich ist (BT-Drs. 19/26107, 121).
Ein atypischer Fall, in welchem von der Rückmeldung abgesehen werden sollte, könnte vor diesem Hintergrund zB dann gegeben sein, wenn die Rückmeldung vonseiten des*der Berufsgeheimnisträger*in nicht erwünscht ist. Besonders relevant dürfte der Fall sein, in dem die betroffene Familie sich vehement gegen die Rückmeldung ausspricht, sodass zu befürchten ist, dass die Rückmeldung die Kooperationsbeziehung zwischen Jugendamt und Familie so nachhaltig beeinträchtigen könnte, dass der Erfolg der Hilfe und/oder der Schutz des Kindes nicht gesichert sind/ist. In einem solchen Fall wäre die Rückmeldung nicht allein aus fachlicher Sicht zu unterlassen, sondern auch aus datenschutzrechtlicher Perspektive unzulässig, da auch die datenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnis in einem solchen Fall beschränkt ist (§ 64 Abs. 2 SGB VIII). Eine ablehnende Haltung der betroffenen Familie sollte jedoch nicht vorschnell als unabänderlich angenommen werden; die Fachkräfte sind aufgefordert, die Familie – mit Zeit und Argumenten – für die offene Zusammenarbeit mit den verschiedenen Helfer*innen zu gewinnen.

 

Welchen Inhalt darf die Rückmeldung haben?

Dem Wortlaut nach darf die Rückmeldung nur Angaben darüber enthalten, ob das Jugendamt die gewichtigen Anhaltspunkte für die Kindeswohlgefährdung bestätigt sieht und ob es zum Schutz des Kindes tätig geworden ist und noch tätig ist. Die Mitteilung dieser Informationen würde einer qualifizierten Eingangsbestätigung gleichkommen. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es, dass die Rückmeldung die betreffenden Berufsgeheimnisträger*innen dazu befähigen soll, zum einen einzuschätzen, ob die Gefährdungssituation noch fortbesteht oder beendet ist, und zum anderen ihre Aufgaben im Verhältnis zum Kind und der Familie entsprechend zu erfüllen (BT-Drs. 19/26107, 121). Hierzu muss das Jugendamt den meldenden Berufsgeheimnisträger*innen auch das Ergebnis der Gefährdungseinschätzung mitteilen und darüber informieren, ob es tätig geworden ist oder noch tätig ist (hierzu Meysen ua/Beckmann Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG, 2022, 185 [199 f.]). Folglich wäre die Erteilung zweier Rückmeldungen denkbar: zunächst die Bestätigung, dass gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen und folgend die Mitteilung über das Ergebnis der abgeschlossenen Gefährdungseinschätzung.
In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es zudem ausdrücklich, dass die Übermittlung weiterer Angaben unzulässig ist. Weder Angaben über die Art der Kindeswohlgefährdung noch über das konkrete Handeln des Jugendamts (zB Beratungsinhalte, Art und Weise der Hilfegewährung, Inobhutnahme) dürfen gemacht werden (BT-Drs. 19/26107, 121). Zu beachten ist ferner, dass die Rückmeldung nur an den*die Berufsgeheimnisträger*in erfolgt, welche*r die Gefährdungsmeldung gemacht hat. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Betroffenen in die Übermittlung weiterer Daten oder in die Übermittlung an weitere Personen eingewilligt haben. Grund für eine solche Einwilligung können bspw. ein persönliches Interesse der Betroffenen an der „erweiterten“ Rückmeldung oder fachliche, die Betroffenen überzeugende Erwägungen der zuständigen Fachkraft sein.

 

In welcher Art und Weise soll die Rückmeldung erfolgen (Fax, Brief, E-Mail, Telefon; standardisiertes Formular)?

Da gesetzlich keine bestimmte Form der Rückmeldung vorgeschrieben ist, steht dem Jugendamt diesbezüglich ein Organisationsermessen zu. Unabhängig vom Inhalt der Rückmeldung bietet sich an, auf bewährte Kommunikationswege zurückzugreifen. Die Verwendung eines standardisierten Formulars kann den durch die Rückmeldung entstehenden Mehraufwand ggf. mäßigen, ist aber nicht zwingend. Zu berücksichtigen ist dabei auch das Ziel der Rückmeldung: die Stärkung der Kooperationsbeziehung. Da die Qualität der Kooperationsbeziehung bedeutend von der Art und Weise der Kommunikation der individuellen Fachkräfte abhängt, kann in Anbetracht der Zielsetzung im Einzelfall die persönliche Rückmeldung vorzugswürdig sein. Ein persönliches Gespräch gibt auch dem*der Berufsgeheimnisträger*in die Möglichkeit, auf die Rückmeldung des Jugendamts zu reagieren, eigene Gedanken vorzubringen und ggf. neue, den Schutz des Kindes betreffende Informationen mitzuteilen. Genauso wird sich das Jugendamt in einem persönlichen Gespräch Rückfragen des*der Berufsgeheimnisträger*in ausgesetzt sehen, deren Beantwortung den gesetzlich vorgegebenen Umfang der Rückmeldung überschreiten würden. In diesem Fall stellt sich dann die Frage nach der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Informationsübermittlung. Da ohne Einwilligung der Betroffenen die Übermittlung nur bei Erforderlichkeit im Rahmen der Aufgabenerfüllung des Jugendamts zulässig ist (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X), bietet sich die Führung eines persönlichen Gesprächs insbesondere dann an, wenn die Rückmeldung dazu dient, den*die Berufsgeheimnisträger*in davon in Kenntnis zu setzen, dass das Jugendamt die gewichtigen Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung sieht, zur Abwendung der Gefahr tätig ist und eine Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung erwünscht ist.

 

Kann die Rückmeldung auf schriftliche Melder*innen begrenzt werden?

§ 4 Abs. 4 KKG verpflichtet das Jugendamt zu einer Rückmeldung an Berufsgeheimnisträger*innen, die das Jugendamt iSd § 4 KKG über einen Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung informiert haben. Nach dem Wortlaut wird nicht zwischen schriftlichen und anderen Meldungen unterschieden, sodass eine Begrenzung der Rückmeldung auf schriftliche Melder*innen nicht zulässig wäre. Auch der Begründung zum Regierungsentwurf ist eine solche Begrenzung auf schriftliche Melder*innen nicht zu entnehmen.

 

Bedarf die Entscheidung über die Rückmeldung einer Dokumentation?

Grundsätzlich muss eine Rückmeldung gegeben werden. Ob ausnahmsweise von einer Rückmeldung abgesehen werden soll, entscheidet die fallzuständige Fachkraft. Ob diese Erledigung der Aufgabe bzw. das Ausnahmsweise-von-der-Rückmeldung-Absehen dokumentiert werden muss, ist nicht ausdrücklich in § 4 Abs. 4 KKG geregelt, weshalb die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätze zur Beantwortung der Frage herangezogen werden müssen. Der nicht gesetzlich normierte Grundsatz ordnungsgemäßer Aktenführung ist allgemein anerkannt und folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip. Er verpflichtet die Verwaltung dazu, wesentliche Verfahrenshandlungen und Geschehensabläufe vollständig, nachvollziehbar und wahrheitsgetreu zu dokumentieren. Nur so kann die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch Gerichte und Aufsichtsbehörden kontrolliert werden (BT-Drs. 17/11473, 38; BVerfG NJW 1983, 2135). Außerdem hat dieser Grundsatz auch eine präventive Wirkung, da die Dokumentationspflicht den Fokus auf sorgfältiges und rechtmäßiges Verwaltungshandeln stärkt (BVerwG NVwZ 1988, 621 [622]).
Für die Jugendämter bedeutet dies, dass die Dokumentation zur späteren Nachprüfbarkeit erforderlich ist. Insbesondere in Fällen, in welchen von der Rückmeldung abgesehen wird, ist eine Dokumentation der Entscheidungsgründe ratsam, da das Jugendamt im Konfliktfall die Pflicht trifft, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung nachzuweisen (vgl. BVerwG 17.8.1978 – 5 C 33/77). Die Art und Weise der Dokumentation liegt jedoch im Organisationsermessen der Behörde (BT-Drs. 17/11473, 38).

§ 4 Abs. 4 KKG
(4) Wird das Jugendamt von einer in Absatz 1 genannten Person informiert, soll es dieser Person zeitnah eine Rückmeldung geben, ob es die gewichtigen Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen bestätigt sieht und ob es zum Schutz des Kindes oder Jugendlichen tätig geworden ist und noch tätig ist. Hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, dass damit der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen in Frage gestellt wird.

 

Müssen die Betroffenen immer vorab darauf hingewiesen werden, dass das Jugendamt dem*der Berufsgeheimnisträger*in Rückmeldung gibt?

Das Jugendamt soll die Betroffenen grundsätzlich auf die Rückmeldung hinweisen. Von dem Hinweis ist nur dann abzusehen, wenn dadurch der wirksame Schutz des Kindes infrage gestellt wird. Diese Begrenzung der Hinweispflicht setzt voraus, dass die zuständige Fachkraft die Folgen des Hinweises gegenüber den Betroffenen für den Schutz des Kindes prognostiziert. Ergibt eine sorgfältige Prüfung aller Umstände des Einzelfalls, dass nachteilige Folgen für den Schutz des Kindes zu erwarten sind, darf bzw. muss von einem Hinweis abgesehen werden. Von der Hinweispflicht dürfte bspw. vollständig abgesehen werden, wenn die Tätigkeit des*der Berufsgeheimnisträger*in einen aktuellen Schutzfaktor für das Wohl des Kindes darstellt und zu befürchten ist, dass durch den Hinweis gegenüber dem*der Erziehungsberechtigten, diese*r einen Kontaktabbruch zwischen Kind und Berufsgeheimnisträger*in herbeiführen würden. Auch in der Situation, dass der*die Berufsgeheimnisträger*in selbst die Betroffenen nicht vor der Mitteilung an das Jugendamt auf die mögliche Gefährdung angesprochen hat, wäre die Unterlassung eines Hinweises adäquat (vgl. FAQ zu der Frage: Welchen Umfang hat die Hinweispflicht?).
Inwieweit die Betroffenen die Rückmeldung an die Berufsgeheimnisträger*innen akzeptieren, kann regelmäßig auch von der Art und Weise des Hinweises abhängen. Damit der Hinweis nicht die Befürchtung auslöst, dass die Rückmeldung zu einem allumfassenden Informationsfluss an den*die Berufsgeheimnisträger*in führt, ist Kommunikationsgeschick gefragt. Gerade der Hinweis auf Zweck und konkreten Inhalt der Rückmeldung, kann ggf. die Akzeptanz der Betroffenen für die Rückmeldung erhöhen.

 

Welchen Umfang hat die Hinweispflicht?

Der Rückmeldung muss gem. § 4 Abs. 4 S. 2 KKG immer der Hinweis an die Betroffenen vorausgehen, dass und in welchem Umfang die Rückmeldung an die Berufsgeheimnisträger*innen erfolgt. Nicht explizit geregelt ist, ob auch auf die Identität des*der Berufsgeheimnisträger*in hingewiesen werden soll bzw. darf. Zwar können auch Berufsgeheimnisträger*innen ein Interesse an der Geheimhaltung ihrer Identität haben. Als Akteur*innen im Kinderschutzverfahren, die gem. § 4 Abs. 1 KKG verpflichtet sind, selbst Gefährdungssituationen mit dem*der Erziehungsberechtigten zu erörtern und die Betroffenen auf eine Meldung beim Jugendamt vorab hinzuweisen, sind sie grundsätzliche zu einem transparenten Vorgehen gegenüber den Betroffenen verpflichtet. Hiervon sind Berufsgeheimnisträger*innen nur befreit, wenn dies den Schutz des Kindes gefährden würde. Für die Hinweispflicht des Jugendamts gem. § 4 Abs. 4 S. 2 KKG kann sich daraus ableiten lassen, dass grundsätzlich auch der Name des*der Berufsgeheimnisträger*in genannt werden darf; jedenfalls sofern der*die Berufsgeheimnisträger*in nicht ausnahmsweise das Jugendamt ohne vorherigen Hinweis an die Betroffenen informieren durfte (hierzu ausf. Meysen ua/Beckmann Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG, 2022, 185 [202]).

Familiengericht (§ 50 Abs. 2 S. 2–4 SGB VIII)

§ 50 SGB VIII
Absatz 2 Satz 2 bis Satz 4: In Verfahren nach den §§ 1631b, 1632 Absatz 4, den §§ 1666, 1666a und 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie in Verfahren, die die Abänderung, Verlängerung oder Aufhebung von nach diesen Vorschriften getroffenen Maßnahmen betreffen, legt das Jugendamt dem Familiengericht den Hilfeplan nach § 36 Absatz 2 Satz 2 vor. Dieses Dokument beinhaltet ausschließlich das Ergebnis der Bedarfsfeststellung, die vereinbarte Art der Hilfegewährung einschließlich der hiervon umfassten Leistungen sowie das Ergebnis etwaiger Überprüfungen dieser Feststellungen. In anderen die Person des Kindes betreffenden Kindschaftssachen legt das Jugendamt den Hilfeplan auf Anforderung des Familiengerichts vor.
Absatz 2 Satz 6: § 64 Absatz 2 und § 65 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 bleiben unberührt.

 

Im Rahmen der Neuregelung zur Vorlagepflicht wird ausdrücklich auf die Anwendung der §§ 64 Abs. 2 und § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 verwiesen. Dazu wird in der Begründung des Regierungsentwurfs ausgeführt, „dass im Hilfeplan dokumentierte anvertraute Daten grundsätzlich nur mit Einwilligung […] weitergegeben werden dürfen“ (BT-Drs. 19/26107, 104). Hieraus ergibt sich allerdings nicht, dass die von § 50 SGB VIII geforderte Vorlage des Hilfeplans insgesamt und allgemein von einer Einwilligung abhängig wäre. Zu beachten sind vielmehr die konkreten Vorgaben, die §§ 64 Abs. 2 und § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII tatsächlich machen.

Zu betonen ist vorab, dass die Vorschrift nicht die Vorlage des gesamten Hilfeplans, sondern nur eines Auszugs verlangt, der lediglich das Ergebnis der Bedarfsfeststellung, die vereinbarte Art der Hilfegewährung sowie das Ergebnis etwaiger Hilfeplan-Überprüfungen enthält.

Gem. § 64 Abs. 2 SGB VIII hätte die Vorlage des Hilfeplanauszugs zu unterbleiben, soweit dadurch der Erfolg einer zu gewährenden Leistung infrage gestellt wird (§ 64 Abs. 2 SGB VIII). Für das Jugendamt bedeutet dies, dass es im jeweiligen Einzelfall zu prüfen hat, ob durch die Vorlage des Hilfeplanauszugs der Erfolg der gewährten Leistung infrage gestellt wird – was regelmäßig nicht anzunehmen sein wird. Die Frage, welche Hilfen mit welchem Erfolg geleistet werden, ist in einem Verfahren gem. § 1666 BGB zentral. Es ist Teil der Mitwirkungsaufgabe des Jugendamts, zu den erbrachten Hilfen und den Erfolgsaussichten weiterer Hilfen vorzutragen (§ 50 Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Es liegt meist im Interesse der Eltern darzulegen, dass sie gut mit dem Jugendamt zusammenarbeiten sowie dass die laufenden ambulanten Hilfen ausreichen und keine weitergehenden Maßnahmen erforderlich sind. Die Vorlage des Hilfeplanauszugs wird daher idR nicht den Erfolg einer Leistung infrage stellen, gleichwohl sollte die Vorlage gut mit den Betroffenen besprochen werden.

Was anvertraute Informationen anbelangt, so können diese im Rahmen der Mitwirkungsaufgabe des Jugendamts im familiengerichtlichen Verfahren gem. § 65 SGB VIII nur unter besonderen Voraussetzungen übermittelt werden. So wenn die Anvertrauenden mit der Übermittlung einverstanden sind (§ 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII) bzw. wenn ohne diese Mitteilung eine für die Gewährung von Leistungen notwendige gerichtliche Entscheidung nicht ermöglicht werden könnte (§ 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII). Nur, sofern anvertraute Informationen übermittelt werden sollen, müssen die Voraussetzungen des § 65 SGB VIII beachtet werden und es ist daher ggf. eine Einwilligung zwingend erforderlich. Allerdings enthält der Hilfeplanauszug idR gerade keine anvertrauten Informationen beinhaltet, sondern ausschließlich das Ergebnis der Bedarfsfeststellung, die vereinbarte Art der Hilfegewährung einschließlich der hiervon umfassten Leistungen sowie das Ergebnis etwaiger Überprüfungen dieser Feststellungen.

Sollen jedoch im Rahmen der Mitwirkungsaufgabe weitere – anvertraute – Informationen übermittelt werden, so sind die beschriebenen Voraussetzungen des § 65 SGB VIII für die Weitergabe zu prüfen.

Polizei, Staatsanwaltschaft, Strafgerichte (§ 52 SGB VIII; § 5 KKG)

§ 5 KKG Mitteilungen an das Jugendamt
(1)    Werden in einem Strafverfahren gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt, informiert die Strafverfolgungsbehörde oder das Gericht unverzüglich den zuständigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowie im Falle seiner Zuständigkeit den überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und übermittelt die aus ihrer Sicht zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos erforderlichen Daten. Die Mitteilung ordnen Richterinnen oder Richter, Staatsanwältinnen oder Staatsanwälte an. § 4 Absatz 2 gilt entsprechend.
(2)    Gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung können insbesondere dann vorliegen, wenn gegen eine Person, die mit einem Kind oder Jugendlichen in häuslicher Gemeinschaft lebt oder die regelmäßig Umgang mit ihm hat oder haben wird, der Verdacht besteht, eine Straftat nach den §§ 171, 174, 176 bis 180, 182, 184b bis 184e, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs begangen zu haben.

 

Wann ist das Jugendamt nach § 5 KKG zu informieren?

Durch die mit dem KJSG neu eingeführte Vorschrift des § 5 KKG soll der Schutz von Kindern – insbesondere vor sexualisierter Gewalt – durch Stärkung der Kommunikation und Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe und den Strafverfolgungsbehörden verbessert werden (BT-Drs. 19/26107, 122). Die Strafverfolgungsbehörden bzw. die Gerichte sind verpflichtet, unverzüglich den zuständigen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowie im Fall seiner Zuständigkeit den überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde) zu informieren, wenn in einem Strafverfahren gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt werden. Absatz 2 der Vorschrift führt beispielhaft auf, in welchen Fällen gewichtige Anhaltspunkte insbesondere vorliegen können. Wesentliche Anknüpfungspunkte sind:
Der Verdacht
- einer einschlägigen Straftat zum Nachteil von Kindern,
- gegen eine Person, die mit einem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt oder regelmäßig Umgang mit ihm hat oder haben wird (vgl. hierzu FAQ § 5 Abs. 2 KKG: Was heißt „Person, die regelmäßig Umgang mit ihm hat oder haben wird“?).
Aus der Formulierung, dass gewichtige Anhaltspunkte insbesondere bei Zusammentreffen dieser beiden Faktoren vorliegen können, ergibt sich, dass es aufseiten des Gerichts bzw. der Staatsanwaltschaft immer der Prüfung im konkreten Einzelfall bedarf, ob gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines bestimmten Kindes oder mehrerer bestimmter Kinder bestehen und deshalb eine Mitteilung an das Jugendamt erfolgt (vgl. hierzu FAQ § 5 Abs. 2 KKG: Was heißt „Person, die regelmäßig Umgang mit ihm hat oder haben wird“?).
Die Mitteilung an das Jugendamt wird durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht angeordnet, die durch den Verweis auf die entsprechende Anwendbarkeit von § 4 Abs. 2 KKG (§ 5 Abs. 1 S. 3 KKG) einen Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft (Insofa) haben. Durch die Mitteilung ist das Jugendamt im Schutzauftrag aktiviert und prüft zunächst selbst, ob gewichtige Anhaltspunkte iSd § 8a Abs. 1 S. 1 SGB VIII für die Gefährdung des Wohls eines bestimmten Kindes vorliegen.

 

§ 5 Abs. 2 KKG: Was heißt „Person, die regelmäßig Umgang mit ihm hat oder haben wird“?

Die in § 5 Abs. 2 KKG aufgeführten Beispielsfälle betreffen Situationen, in denen der Verdacht einer einschlägigen Straftat gegen eine Person besteht, die engen Kontakt mit einem bestimmten Kind hat, weil das Kind entweder mit ihr in einem Haushalt lebt oder (unbegleiteter) Umgang stattfindet.
Bezüglich des Umgangs knüpft die Gesetzesbegründung an das Vorliegen eines Umgangsrechts an (BT-Drs. 19/26107, 123; hiervon abweichend stellt Kemper auf den tatsächlichen Umgang ab [LPK-SGB VIII/Kemper, 8. Aufl. 2022, Anhang 2 zu § 61 – § 5 KKG Rn. 3]). Hinsichtlich der gesetzlichen Formulierung „regelmäßig Umgang mit ihm hat oder haben wird“ ist anzunehmen, dass die Vorschrift möglichst weit gefasst werden sollte, um einen umfassenden Schutz sicherzustellen. So kommt bspw. in Betracht, dass der Verdächtigte werdender Vater ist oder dass gerade ein Verfahren zur Regelung des Umgangs der verdächtigten Person mit dem Kind läuft.
Daraus, dass es sich bei den in § 5 Abs. 2 KKG aufgeführten Fallkonstellationen um eine beispielhafte Aufzählung handelt, wann „insbesondere“ gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen, ergibt sich zum einen, dass die Strafverfolgungsbehörden auch bei anderen Delikten oder auch dann, wenn keine häusliche Gemeinschaft oder kein Umgang im eigentlichen Sinne besteht, prüfen müssen, ob gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen. Die durch die Strafverfolgungsbehörden befürchtete Gefährdung muss sich dabei jedoch immer auf bestimmte (zumindest aber auf bestimmbare) Kinder beziehen, da andernfalls keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohls eines bestimmten Kindes vorliegen. Zu denken ist bspw. an unbeobachteten Kontakt zu einem Patenkind oder Nachbarskind oder etwa an den Kontakt zu Kindern in der Funktion als Trainer*in oder Babysitter*in. Zum anderen besteht kein Automatismus dahingehend, dass bei Vorliegen beider in § 5 Abs. 2 KKG genannten Kriterien (einschlägige Straftat und häusliche Gemeinschaft bzw. Umgang) stets die Information des Jugendamts erfolgt – obgleich in diesen Konstellationen regelmäßig von gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung auszugehen sein dürfte (vgl. hierzu Meysen ua/Beckmann KJSG 2022, Kap. 7 Rn. 68). Es bedarf aufseiten der Strafverfolgungsbehörden stets der Prüfung anhand der konkreten Einzelfallumstände, ob gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes vorliegen (zum Ganzen LPK-SGB VIII/Kemper Anhang 2 zu § 61 – § 5 KKG Rn. 3).

 

Kann eine Mitteilung auch erfolgen, wenn gegen eine Person der Verdacht einer einschlägigen Straftat besteht, jedoch kein Kontakt zu einem Kind bekannt ist?

Die in § 5 Abs. 2 KKG beispielhaft aufgeführten Fälle, in denen gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines*einer Jugendlichen insbesondere vorliegen können, legen – wie auch der Wortlaut „Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen“ – nahe, dass sich grundsätzlich bereits die gewichtigen Anhaltspunkte, die die Strafverfolgungsbehörden dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe mitteilen, auf eine*n bestimmte*n Minderjährige*n oder mehrere bestimmte/bestimmbare Minderjährige beziehen müssen. Denn die Beispielsfälle beinhalten stets zwei Komponenten: die Begehung einer einschlägigen Straftat und den Kontakt mit Minderjährigen (häusliche Gemeinschaft oder Umgang). Gestützt wird diese Überlegung auch dadurch, dass Staatsanwaltschaft und Gericht einen Anspruch auf Beratung durch eine insoweit erfahrene Fachkraft (Insofa) haben (§ 5 Abs. 1 S. 3 KKG iVm § 4 Abs. 2 KKG). Die Insofa-Beratung kann aber nur darauf gerichtet sein, ob gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines*einer bestimmten Minderjährigen oder mehrerer bestimmter/bestimmbarer Minderjähriger bestehen. Ein weiteres Argument für dieses Verständnis ist im Referentenentwurf zu finden, in dem ausgeführt wird: „Das Interesse der Betroffenen am Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte sowie ihres Vertrauens findet eine verhältnismäßige Berücksichtigung durch den begrenzten Personenkreis der Betroffenen, da das Vorliegen von gewichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung im Einzelfall zu prüfen ist, […].“ (BT-Drs. 19/26107, 123). Damit ist davon auszugehen, dass sich die gewichtigen Anhaltspunkte im konkreten Einzelfall auf den Kontakt mit einem bestimmten Kind oder mehreren bestimmten/bestimmbaren Kindern beziehen müssen. Dies entspricht auch den unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden und der Kinder- und Jugendhilfe. Wichtig erscheint im Hinblick auf die neue Regelung des § 5 KKG die fallübergreifende Kooperation/Netzwerkarbeit mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften. Den Strafverfolgungsbehörden sollte bspw. bekannt sein, welche Insofa für welche Fallkonstellation hinzugezogen werden kann. Zudem ist wichtig, dass die Strafverfolgungsbehörden ein Bewusstsein dafür entwickeln, in der Mitteilung darauf hinzuweisen, inwiefern Kontakt zu Kindern besteht.

 

Welche Aufgaben hat der überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei Eingang einer Mitteilung nach § 5 KKG?

Für den überörtlichen Träger ergeben sich aus der Mitteilung Prüfpflichten im Hinblick auf die Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen in einer Einrichtung. Zu prüfen ist bspw. die Erforderlichkeit eines Entzugs der Betriebserlaubnis (§ 45 Abs. 7 SGB VIII) bzw. das Verlangen anderer Maßnahmen seitens des Einrichtungsträgers (bspw. Durchsetzung des Tätigkeitsausschlusses bei rechtskräftiger Verurteilung einer Fachkraft wegen einer Katalogtat des § 72a Abs. 1 SGB VIII; Eignungsprüfung oder Freistellung bei Verdacht einer einschlägigen Straftat).

Einrichtungsaufsicht (§§ 45–47 SGB VIII)

§ 45a SGB VIII
Eine Einrichtung ist eine auf gewisse Dauer und unter der Verantwortung eines Trägers angelegte förmliche Verbindung ortsgebundener räumlicher, personeller und sachlicher Mittel mit dem Zweck der ganztägigen oder über einen Teil des Tages erfolgenden Betreuung oder Unterkunftsgewährung sowie Beaufsichtigung, Erziehung, Bildung, Ausbildung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie. Familienähnliche Betreuungsformen der Unterbringung, bei denen der Bestand der Verbindung nicht unabhängig von bestimmten Kindern und Jugendlichen, den dort tätigen Personen und der Zuordnung bestimmter Kinder und Jugendlicher zu bestimmten dort tätigen Personen ist, sind nur dann Einrichtungen, wenn sie fachlich und organisatorisch in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung eingebunden sind. Eine fachliche und organisatorische Einbindung der familienähnlichen Betreuungsform liegt insbesondere vor, wenn die betriebserlaubnispflichtige Einrichtung das Konzept, die fachliche Steuerung der Hilfen, die Qualitätssicherung, die Auswahl, Überwachung, Weiterbildung und Vertretung des Personals sowie die Außenvertretung gewährleistet. Landesrecht kann regeln, unter welchen Voraussetzungen auch familienähnliche Betreuungsformen Einrichtungen sind, die nicht fachlich und organisatorisch in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung eingebunden sind.

 

Mit Einführung einer Legaldefinition für den Einrichtungsbegriff in § 45a SGB VIII verfolgt der Gesetzgeber den Zweck, die bisher bereits von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Kriterien in das Gesetz aufzunehmen. Ausgangspunkt der Betriebserlaubnispflicht sind die besonderen Anforderungen, die bei Unterbringung in einer Einrichtung zu stellen sind. Sie beruhen auf dem erhöhten Schutzbedürfnis der Kinder und Jugendlichen, die in Einrichtungen aufwachsen oder betreut werden.
Besondere Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die Frage, wann sog. familienanaloge Unterbringungen (zT werden sie in der Praxis auch „Erziehungsstellen“ genannt) der Betriebserlaubnispflicht unterfallen. Familienanaloge Unterbringungen sind solche, die dadurch geprägt sind, dass die dort tätigen Personen (dauerhaft) bestimmten Kindern und Jugendlichen zugeordnet sind (BT-Drs. 19/26107, 102). § 45a S. 1 SGB VIII formuliert nun ausdrücklich, dass familienähnliche Betreuungsformen der Unterbringung nur dann der Betriebserlaubnispflicht unterfallen, wenn sie fachlich und organisatorisch in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung eingebunden sind. Diese gesetzliche Klärung entspricht der bisherigen Auslegung: Familienanaloge Betreuungsformen, die aufgrund enger Anbindung an einen übergeordneten Träger mit organisatorischer und fachlicher Verantwortung institutionellen Charakter hatten, benötigen nach wie vor eine Betriebserlaubnis. Familienähnliche Unterbringungen mit autonomer Gestaltung der Hilfe (nicht durch einen übergeordneten Träger in festen Strukturen verantwortet), brauchen hingegen keine Betriebserlaubnis. Allerdings wurde in § 45a S. 4 SGB VIII zusätzlich ein Landesrechtsvorbehalt aufgenommen, durch den Landesrecht regeln kann, unter welchen Voraussetzungen auch familienähnliche Betreuungsformen Einrichtungen sind, die nicht fachlich und organisatorisch in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung eingebunden sind.
Ob überhaupt eine familienanaloge Unterbringung vorliegt, also eine feste Zuordnung der Kinder zu ihren Pflegepersonen, kann nach folgenden Kriterien beurteilt werden (vgl. dazu FK-SGB VIII/Smeassaert/Lakies, 8. Aufl. 2019 , SGB VIII § 45 Rn. 11; Krug ua/Riehle SGB VIII, Stand 11/2015, SGB VIII § 33 Rn. 51):
- Aufnahme der*des untergebrachten Minderjährigen im eigenverantwortlich geführten Privathaushalt der Pflegeperson,
- Bindung des Betreuungsverhältnisses an eine konkrete Pflegeperson,
- familiärer Charakter der Betreuung steht im Vordergrund; feste familiäre Strukturen,
- keine Auswechslung der Pflegeperson möglich.
Schwierig kann die Abgrenzung insbesondere sein, wenn mehrere Betreuungspersonen und mehrere Kinder und Jugendliche in einer Wohneinheit zusammenleben, da dann nicht klar erkennbar sein kann, welches Kind welcher konkreten, nicht austauschbaren Betreuungsperson fest zugeordnet ist. Aber auch die Klärung, ob ein übergeordneter Träger iSd § 45a S. 2 und 3 vorhanden ist, kann sich schwierig gestalten (LPK-SGB VIII/Kepert, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 45a Rn. 4).
Wann eine solche familienanaloge Betreuungsform fachlich und organisatorisch in eine betriebserlaubnispflichtige Einrichtung eingebunden ist (und somit eine Betriebserlaubnis benötigt), wird in Satz 3 konkretisiert und ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die betriebserlaubnispflichtige Einrichtung
- das Konzept,
- die fachliche Steuerung der Hilfen,
- die Qualitätssicherung,
- die Auswahl, Überwachung, Weiterbildung und Vertretung des Personals und
- die Außenvertretung
gewährleistet. Bei einer solchen Einbindung ist aus arbeitsrechtlicher Sicht idR ein Angestelltenverhältnis erforderlich, wobei es schwierig sein kann, die Arbeitnehmereigenschaft von der Selbstständigkeit abgrenzen zu können. Entscheidend ist dabei nicht die Bezeichnung, sondern sind die tatsächlichen Verhältnisse. Eine Einbindung in eine Arbeitsorganisation liegt insbesondere dann vor, wenn die*der Beschäftigte einem Weisungsrecht (bezogen ua auf Inhalt, Zeit, Durchführung der Tätigkeit) unterliegt (Meysen ua/Meysen/Smessaert Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG, 2022, 241 [247]).
Trotz der nun im Gesetz aufgenommenen Legaldefinition des Einrichtungsbegriffs, kann es für die Praxis weiterhin herausforderungsvoll bleiben, ob eine familienanaloge Unterbringung betriebserlaubnispflichtig ist oder nicht. Gerade die Frage nach der Einbindung der familienanalogen Unterbringung an einen betriebserlaubnispflichtigen Träger und auch die arbeitsrechtliche Stellung der Pflegeperson sind nicht immer eindeutig erkennbar. Zudem wird befürchtet, dass durch den Landesrechtsvorbehalt ein „Flickenteppich“ entsteht. Dieser Befürchtung hält die Bundesregierung jedoch entgegen, dass dies nicht passieren wird, sondern dass durch diese Öffnungsklausel regionale Unterschiede aufgegriffen werden und die Möglichkeit eröffnet wird, diese angemessen zu berücksichtigen (BT-Drs. 19/27481, 51).

Interdisziplinäre Fallbesprechung

§ 73c SGB V
„Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Landesebene eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Vertragsärzten mit den Jugendämtern schließen, um die vertragsärztliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, bei denen Vertragsärzte im Rahmen von Früherkennungsuntersuchungen nach § 26 oder im Rahmen ihrer oder der ärztlichen Behandlung ihrer Familienangehörigen nach § 28 Anhaltspunkte für eine Gefährdung ihres Wohls feststellen. Satz 1 gilt nicht für Kassenzahnärztliche Vereinigungen und Zahnärzte.“
§ 87 Abs. 2a S. 7 SGB V
„(2a) […] In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang die Durchführung von insbesondere telemedizinischen Fallbesprechungen im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen zum Kinder- und Jugendschutz nach § 73c angemessen vergütet werden kann; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen zu beschließen. […]“

 

In der Begründung zum Regierungsentwurf wird ausgeführt, dass durch den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung iSd neuen § 73c SGB V die Zusammenarbeit der Vertragsärzt*innen mit den Jugendämtern gestärkt werden soll mit dem Ziel einer besseren vertragsärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung (BT-Drs. 19/26107, 124 f.). Dies soll in erster Linie durch die Bündelung der fachlichen Kompetenzen in gemeinsamen Fallbesprechungen erreicht werden (BT-Drs. 19/26107, 124 f.). Diese Regelung erstreckt sich auch auf vertragsärztliche Psychotherapeut*innen (§ 72 Abs. 1 S. 2 SGB V); nicht jedoch auf Zahnärzt*innen (§ 73c S. 2 SGB V). Betroffen sind also alle Ärzt*innen und Therapeut*innen, die vertragsärztliche Leistungen erbringen, unabhängig davon, ob sie mit einem Kassensitz niedergelassen oder im Klinikum angestellt sind.
Durch den Abschluss eines solchen Kooperationsvertrags wird es den Vertragsärzt*innen und Vertragstherapeut*innen zukünftig möglich sein, den Arbeitsaufwand, der durch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt entsteht, zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen abzurechnen.
Damit eine Abrechnung tatsächlich erfolgen kann, muss der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM), welcher als Grundlage für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dient (BeckOK/Warner SGB V, Ed. 63, Stand: 1.9.2021, SGB V § 87 Rn. 7), durch den Bewertungsausschuss entsprechend angepasst werden. Zu einer solchen Anpassung verpflichtet die Ergänzung in § 87 Abs. 2a S. 7 SGB V. Im Hinblick auf die Vergütung einiger telemedizinischer Leistungen, wie zB Teilnahme an Videofallkonferenzen, ist dies bereits geschehen (BT-Drs. 19/26107, 125); BeckOK/Warner SGB V § 73c Rn. 6).
Für die Jugendämter bedeutet dies, dass sie zukünftig eine hohe Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit vonseiten der Vertragsärzt*innen und -therapeut*innen im Rahmen der Zusammenarbeit erwarten dürfen. Da der EBM wohl insbesondere die Vergütung telemedizinischer Leistungen im Hinblick auf die Zusammenarbeit von Vertragsärzt*innen und Jugendämtern vorsehen wird, ist außerdem zu erwarten, dass vonseiten der Ärzteschaft auf eine digitale Umsetzung der Zusammenarbeit gedrängt werden wird. Angesichts der Ersparnis zeitlicher Ressourcen bei dieser Form der Zusammenarbeit dürfte dies in vielen Jugendämtern bereits ohnehin üblich sein.