KJSG - FAQ

Prävention/Sozialraum

Kumulative Gewährung von HzE (§ 27 Abs. 2 S. 3 SGB VIII)

Ist insbesondere zu befürchten, dass hierdurch erforderliche Einzelfallhilfen, bspw. die der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) durch eine Kombination sozialräumlicher kostengünstiger Angebote verdrängt werden sollen?

 

§ 27 Abs. 2 S. 3 SGB VIII
(2) […] Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

 

Die Neuregelung stellt keine Änderung, sondern eine Klarstellung der bereits bisher geltenden Rechtslage dar. Der Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung gewährt bereits jetzt die Hilfe, die dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall entspricht (§ 27 Abs. 2 S. 1 SGB VIII). Dazu können auch mehrere Hilfearten nebeneinander notwendig sein, sodass die Neuregelung lediglich eine Klarstellung beinhaltet. Dies lässt sich auch der Begründung des Regierungsentwurfs entnehmen (BT-Drs. 19/26107, 82). Durch diese Klarstellung kann der bislang teilweise sehr unterschiedlichen Praxis sowie Unsicherheiten in der Praxis bei der Leistungsgewährung begegnet werden. In der Konsequenz sind je nach Hilfebedarf mehrere der Hilfearten aus dem Katalog der §§ 28 ff. oder auch atypische Hilfearten nach § 27 Abs. 2 SGB VIII zu erbringen. Hilfreich ist die Regelung zB für die Klarstellung, dass bspw. neben einer stationären Hilfe auch zusätzliche ambulante Hilfen erbracht werden können oder auch neben einer SPFH zusätzliche weitere ambulante Hilfen.

Änderungen für die Hilfeplanung ergeben sich daher letztlich nicht. Insbesondere ergibt sich aus der Regelung auch nicht, dass dadurch bestimmte intensive Hilfearten verdrängt werden, wie bspw. die SPFH durch weniger intensive sozialräumliche Beratungsangebote. Vielmehr richtet sich die Hilfe in ihrer konkreten Ausgestaltung nach wie vor immer nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall. Wird diesem Bedarf gerade durch niedrigschwellige Angebote entsprochen, so genügen solche. Ist eine Hilfeplanung mit intensiveren Hilfen erforderlich, so sind diese zu gewähren. Freilich bleibt die Praxis gefordert, darauf hinzuwirken, dass nicht die kostengünstigste Hilfeausgestaltung gewählt wird, sondern die dem individuellen Bedarf angemessene. Und ebenso, dass nicht zugunsten des Ausbaus von Hilfen, die auch niedrigschwellig, dh ohne den Weg über das Jugendamt in Anspruch genommen werden, weniger intensivere Hilfen in der Bedarfsplanung berücksichtigt werden, mit der Folge, dass sie dann bei Aufkommen eines Hilfebedarfs nicht vorhanden sind und der Bedarf unzureichend befriedigt wird.

Versorgung und Betreuung in Notsituationen (§ 20 SGB VIII)

Niedrigschwellige Inanspruchnahme

§ 20 Abs. 3 SGB VIII
(3) § 36a Absatz 2 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme insbesondere zugelassen werden soll, wenn die Hilfe von einer Erziehungsberatungsstelle oder anderen Beratungsdiensten und -einrichtungen nach § 28 zusätzlich angeboten oder vermittelt wird. In den Vereinbarungen entsprechend § 36a Absatz 2 Satz 2 sollen insbesondere auch die kontinuierliche und flexible Verfügbarkeit der Hilfe sowie die professionelle Anleitung und Begleitung beim Einsatz von ehrenamtlichen Patinnen und Paten sichergestellt werden.

 

Für die Leistung der Betreuung und Versorgung eines Kindes in Notsituationen (§ 20 SGB VIII) ist nach der Neufassung in Absatz 3 die Geltung von § 36a Abs. 2 SGB VIII, also die Pflicht des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe, eine niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme der Hilfe zuzulassen, geregelt.

Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe soll also die niedrigschwellige Inanspruchnahme auch dieser Hilfe explizit zulassen und hierfür mit den Leistungserbringern entsprechende Vereinbarungen abschließen. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch diesen niedrigschwelligen Zugang insbesondere eine deutliche Verbesserung der Situation von Kindern mit psychisch kranken oder suchtkranken Eltern, die den Weg zur Hilfe so ohne den Weg über das Jugendamt gehen können, wodurch Hürden abgebaut werden können. Da der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Fall der niedrigschwelligen unmittelbaren Inanspruchnahme der Leistung den Hilfebedarf im Einzelfall nicht mehr feststellen und die bedarfsdeckende Leistung sicherstellen kann, bedarf es Vereinbarungen mit den entsprechenden Leistungserbringern, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung geregelt werden (§ 36a Abs. 2 SGB VIII). Bei Hilfen nach § 20 SGB VIII müssen in den Vereinbarungen explizit insbesondere auch die kontinuierliche und flexible Verfügbarkeit der Hilfe sowie die professionelle Anleitung und Begleitung beim Einsatz von ehrenamtlichen Pat*innen sichergestellt werden (§ 20 Abs. 3 S. 2 SGB VIII).

Dass das Jugendamt die niedrigschwellige Inanspruchnahme zulassen soll, heißt umgekehrt nicht, dass nicht auch eine Vermittlung über das Jugendamt selbst möglich ist, wenn sich die Familie unmittelbar an das Jugendamt wendet. Es geht bei der Pflicht zur Zulassung niedrigschwelliger Hilfen vielmehr immer um eine Erweiterung der Möglichkeiten von Familien, wie sie sich Hilfe suchen und welche Wege sie dabei gehen können. Der Weg über das Jugendamt kann, muss aber keine Hürde sein.

§ 20 Abs. 3 SGB VIII
(3) § 36a Absatz 2 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme insbesondere zugelassen werden soll, wenn die Hilfe von einer Erziehungsberatungsstelle oder anderen Beratungsdiensten und -einrichtungen nach § 28 zusätzlich angeboten oder vermittelt wird. In den Vereinbarungen entsprechend § 36a Absatz 2 Satz 2 sollen insbesondere auch die kontinuierliche und flexible Verfügbarkeit der Hilfe sowie die professionelle Anleitung und Begleitung beim Einsatz von ehrenamtlichen Patinnen und Paten sichergestellt werden.

 

Die Pflicht zur Zulassung der niedrigschwelligen unmittelbaren Inanspruchnahme gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme der Hilfe in Notsituationen insbesondere zugelassen werden soll, wenn die Hilfe von einer Erziehungsberatungsstelle oder anderen Beratungsdiensten und -einrichtungen nach § 28 SGB VIII zusätzlich angeboten oder vermittelt wird. Hintergrund der Verknüpfung ist, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Fall der niedrigschwelligen Inanspruchnahme keinen Einfluss mehr auf die Bedarfsfeststellung und Hilfegewährung im Einzelfall hat. Die Verknüpfung mit der Erziehungsberatungsstelle soll daher eine qualifizierte Bedarfsfeststellung im Einzelfall sicherstellen (BT-Drs. 19/28870, 104). Dass gerade Erziehungsberatungsstellen genannt sind, liegt nach der Begründung des Regierungsentwurfs darin gerechtfertigt, dass diese häufig eine Infrastruktur darstellen, die von den Familien sowohl ortsnah sehr gut erreicht als auch breit als Hilfeanlaufstelle akzeptiert wird.

Der Träger der Erziehungsberatungsstelle kann die Hilfe entweder selbst erbringen oder aber die Erziehungsberatungsstelle vermittelt die Hilfesuchenden an einen anderen Träger, der Hilfe nach § 20 erbringt und mit dem das Jugendamt eine entsprechende Vereinbarung nach § 36a Abs. 2 SGB VIII abgeschlossen hat. Im Fall der Vermittlung durch die Erziehungsberatungsstelle übernimmt diese die qualifizierte Bedarfsfeststellung. In der Praxis dürfte es sich in erster Linie um Konstellationen handeln, in denen Eltern eine Erziehungsberatung in Anspruch nehmen und im Fall einer Notlage im Beratungsrahmen mit ihnen ein Bedarf an einer Unterstützungsleistung geklärt und die Unterstützung auch sogleich vermittelt werden kann.

§ 20 Abs. 3 SGB VIII
(3) § 36a Absatz 2 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme insbesondere zugelassen werden soll, wenn die Hilfe von einer Erziehungsberatungsstelle oder anderen Beratungsdiensten und -einrichtungen nach § 28 zusätzlich angeboten oder vermittelt wird. In den Vereinbarungen entsprechend § 36a Absatz 2 Satz 2 sollen insbesondere auch die kontinuierliche und flexible Verfügbarkeit der Hilfe sowie die professionelle Anleitung und Begleitung beim Einsatz von ehrenamtlichen Patinnen und Paten sichergestellt werden.

 

Nach § 36a Abs. 2 S. 2 SGB VIII sind zur Zulassung einer niedrigschwelligen unmittelbaren Inanspruchnahme Vereinbarungen mit den Leistungserbringern abzuschließen. Inhalte der Vereinbarungen sind die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten. Dabei müssen insbesondere auch die Bedingungen der unmittelbaren niedrigschwelligen Inanspruchnahme geregelt werden ebenso wie die Bedingungen für eine erforderlich werdende Einbeziehung des Jugendamts. Daneben müssen bei Hilfen nach § 20 SGB VIII in den Vereinbarungen explizit auch die kontinuierliche und flexible Verfügbarkeit der Hilfe sowie die professionelle Anleitung und Begleitung beim Einsatz von ehrenamtlichen Pat*innen sichergestellt werden (§ 20 Abs. 3 S. 2 SGB VIII).

Was die Rolle von Erziehungsberatungsstellen beim Vereinbarungsabschluss betrifft, so wird danach zu differenzieren sein:

- Erbringt die Erziehungsberatungsstelle die Unterstützung der Familie selbst, sind unproblematisch mit ihr Vereinbarungen mit entsprechendem Inhalt abzuschließen.

- Erbringt ein anderer Träger die Leistung und die Erziehungsberatungsstelle vermittelt diese (nur), sind nach dem Gesetzeswortlaut eindeutig Vereinbarungen mit dem oben beschriebenen Inhalt mit dem leistungserbringenden Träger abzuschließen. Gleichwohl ist aber auch ein zusätzlicher Vereinbarungsabschluss mit der Erziehungsberatungsstelle sinnvoll. Auch wenn diese die Leistung nicht selbst erbringt, leistet sie eine wichtige Funktion im Rahmen der niedrigschwelligen unmittelbaren Hilfeerbringung, indem sie die Leistung vermittelt und den Bedarf feststellt. Für diese Vermittlungsaufgabe sollte ebenfalls eine Vereinbarung abgeschlossen werden, in der die Vermittlungsaufgabe selbst und ihre Bedingungen einschließlich der qualifizierten Bedarfsfeststellung geregelt werden.

Voraussetzungen und Inhalt der Leistung

§ 20 Abs. 1 SGB VIII
(1) Eltern haben einen Anspruch auf Unterstützung bei der Betreuung und Versorgung des im Haushalt lebenden Kindes, wenn
[…]
3.    der familiäre Lebensraum für das Kind erhalten bleiben soll […]
[…]

 

Tatsächlich enthielt die bisherige Fassung von § 20 SGB VIII aF als Anspruchsvoraussetzung nicht den Erhalt des Lebensraums. Allerdings war nach dem bisherigen Wortlaut Leistungsinhalt die Unterstützung bei der Betreuung und Versorgung des im Haushalt lebenden Kindes (§ 20 Abs. 1 SGB VIII aF) bzw. die Betreuung und Versorgung des Kindes im elterlichen Haushalt (§ 20 Abs. 2 SGB VIII aF). Die Regelung fixierte nach der alten Rechtslage also sogar noch stärker auf die Hifeerbringung im elterlichen Haushalt. Infolgedessen wurde bisher davon ausgegangen, dass der Erhalt des Lebensraums gerade Ziel einer Hilfe in Notsituationen ist. Jedoch sollte gleichwohl in Ausnahmefällen die Hilfeerbringung auch außerhalb des Haushalts – bspw. in einer Einrichtung – erfolgen können.
Der Gesetzgeber ging bei der Formulierung der Neuregelung davon aus, dass für die Eignung und Notwendigkeit der Hilfe weiterhin – also wie auch bereits bisher – das räumliche und soziale Umfeld des Kindes erhalten bleiben sollte, die Hilfe also angezeigt ist, wenn das Wohl des Kindes einen Erhalt der häuslichen familiären Gemeinschaft, einen Erhalt des Sozialraums und der nachbarschaftlichen Bezüge erfordert (BT-Drs. 19/26107, 82 f.). Unter Anknüpfung an die bisherige Handhabung sowie den Sinn und Zweck der Hilfe, den Lebensraum des Kindes bestmöglich zu erhalten, dürfte daher nach wie vor vertretbar und bei fehlender Möglichkeit der Betreuung im Elternhaushalt auch gerade erforderlich sein, das Kind ausnahmsweise auch außerhalb der häuslichen familiären Gemeinschaft vorübergehend unterzubringen. Zu fordern ist aber immer, dass der Lebensraum dem Kind so gut wie möglich erhalten bleibt. Dies dürfte bei einer vorübergehenden Betreuung außerhalb des elterlichen Wohnraums nur bei einer sehr ortsnahen Unterbringung möglich sein, die es ermöglicht, dass das Kind bspw. seinen erkrankten Elternteil möglichst viel besuchen und befreundete Kinder aus der Nachbarschaft weiter treffen sowie seine gewohnte Schule besuchen kann.

§ 20 Abs. 1 SGB VIII
(1) Eltern haben einen Anspruch auf Unterstützung bei der Betreuung und Versorgung des im Haushalt lebenden Kindes, wenn
1. ein Elternteil, der für die Betreuung des Kindes überwiegend verantwortlich ist, aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen ausfällt,
2. das Wohl des Kindes nicht anderweitig, insbesondere durch Übernahme der Betreuung durch den anderen Elternteil, gewährleistet werden kann,
3. der familiäre Lebensraum für das Kind erhalten bleiben soll und
4. Angebote der Förderung des Kindes in Tageseinrichtungen oder in Kindertagespflege nicht ausreichen.

 


Der Betreuungs- und Unterstützungsanspruch richtet sich auf das im Haushalt lebende Kind. § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII definiert den Begriff des Kindes als jemanden, der noch nicht 14 Jahre alt ist. Der Anspruch nach § 20 ist daher auf die Betreuung und Versorgung von Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs begrenzt. Ausreichend dürfte dabei sein, wenn mindestens ein Kind des Haushalts vor Beginn der Leistung noch nicht das 14. Lebensjahr erreicht hat, auch wenn es während der Leistungsgewährung 14 Jahre alt wird (Wiesner/Struck SGB VIII, 5. Aufl. 2015, SGB VIII § 20 Rn. 5). Die Begrenzung auf Kinder im formalen Sinn wird damit begründet, dass von Jugendlichen erwartet werden kann, sich schon überwiegend selbst zu versorgen und keiner Betreuung mehr bedürfen (LPK-SGB VIII/Kunkel/Kepert, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 20 Rn. 2).
Allerdings können auch (gerade jüngere) Jugendliche in einer Situation, in der ein, vielleicht sogar der allein betreuende Elternteil ausfällt, überfordert sein, insbesondere wenn eine Erkrankung mit der Abwesenheit des Elternteils einhergeht. Ob Jugendliche dann bspw. die gesamte Haushaltsführung allein übernehmen können, kann je nach Alter und Entwicklungsstand der*des Jugendlichen infrage gestellt werden. Zudem ließe sich ein emotionaler Beistand im Umgang mit der Ausfallsituation durchaus auch unter die „Versorgung“ fassen lassen. Aufgrund der eindeutigen Begrenzung im Gesetzestext kann dann aber gleichwohl keine Hilfe nach § 20 SGB VIII geleistet werden. In Betracht kommt dann jedoch die Gewährung von Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII in ambulanter (zB Erziehungsbeistand) oder auch stationärer Form.

Schulsozialarbeit

Landesrechtsvorbehalt und Verhältnis von Schule und Kinder- und Jugendhilfe

Durch den neu eingefügten § 13a SGB VIII wird ein ausdrücklicher, rechtlicher Rahmen für die Gewährung von Leistungen der Schulsozialarbeit eingeführt. Hintergrund ist die wachsende Bedeutung der Schulsozialarbeit als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe (vgl. BT-Drs. 19/28870, 101 f.).

§ 13a SGB VIII
Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote nach diesem Abschnitt, die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Schulen zusammen. Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit wird durch Landesrecht geregelt. Dabei kann durch Landesrecht auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.

 

Die Normierung des neuen § 13a SGB VIII soll an der Durchführung der Schulsozialarbeit in der Praxis nichts ändern. Vielmehr bietet diese neue Regelung eine passgenaue Rechtsgrundlage für das Angebot der Schulsozialarbeit.
Vor der Reform durch das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) wurde die Schulsozialarbeit als Unterfall der Jugendsozialarbeit auf Grundlage des § 13 SGB VIII angeboten. Da die Jugendsozialarbeit den Ausgleich sozialer und die Überwindung individueller Beeinträchtigungen zum Ziel hat und sich die Schulsozialarbeit an alle Schüler*innen – unabhängig von bestehenden Beeinträchtigungen – richtet, war § 13 SGB VIII keine passgenaue Rechtsgrundlage für das Angebot der Schulsozialarbeit. Durch § 13a SGB VIII wurde diese Rechtsunsicherheit überwunden (BT-Drs. 19/28870, 90 f.; LPK-SGB VIII/Kunkel, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 13a Rn. 1). Fortan bietet § 13a SGB VIII einen gesetzlichen Rahmen für die Durchführung der Schulsozialarbeit in Form von pädagogischen Angeboten der §§ 11–14 SGB VIII (Meysen ua/Meysen Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG, 2022, 110 [112]).
Das Handlungsfeld der Schulsozialarbeit ist durch das Verhältnis zur Schule besonders geprägt. Die Aufgabenfelder, Interessen und Ziele überschneiden sich nur teilweise und dennoch arbeiten sie mit derselben Zielgruppe zusammen an einem Ort. Eine gelingende Kooperation ist daher von besonderer Relevanz. Die konkrete Ausgestaltung wird auch durch den neu eingeführten § 13a SGB VIII nicht gesetzlich gestaltet, sondern lässt Raum für den Landesgesetzgeber (s. FAQ Schulsozialarbeit: Besteht durch den in § 13a S. 3 SGB VIII neu eingeführten Landesrechtsvorbehalt die Gefahr, dass die Jugendämter die Aufgabe der Schulsozialarbeit künftig unter Umständen nach Weisung der Schulen ausführen müssen?).

 

§ 13a SGB VIII
(1) Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote nach diesem Abschnitt, die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Schulen zusammen. Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit wird durch Landesrecht geregelt. Dabei kann durch Landesrecht auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.

 

In Satz 3 der Vorschrift wird ein sog. Landesrechtsvorbehalt normiert, der die nähere Ausgestaltung von Inhalt und Umfang der Leistungen den einzelnen Ländern überlässt. Landesrechtsvorbehalte gibt es im SGB VIII auch an anderen Stellen (zB § 26 SGB VIII, § 15 SGB VIII). Durch sie erhält der Landesgesetzgeber jedoch keine Ermächtigung, sondern sie weisen lediglich darauf hin, dass der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nur partiell Gebrauch gemacht hat und den Ländern damit Gestaltungsspielraum lässt. Sie haben somit nur deklaratorische Bedeutung. Anders ist es mit den sog. Öffnungsklauseln (bspw. § 71 Abs. 5 SGB VIII, § 85 Abs. 4, 5 SGB VIII), durch die die Länder ermächtigt sind, vom Bundesrecht abweichende Regelungen zu ermöglichen (Wiesner/Wiesner SGB VIII, 5. Aufl. 2015, SGB VIII Einleitung Rn. 53). Die Landesrechtsvorbehalte haben weniger rechtliche als eher jugendpolitische Bedeutung, da der Bundesgesetzgeber an den Stellen, an denen er Landesrechtsvorbehalte geregelt hat, es für besonders wünschenswert hält, dass die Länder noch ergänzende Regelungen treffen (Wiesner/Struck SGB VIII § 15 Rn. 2 f.).

§ 13a SGB VIII
(1) Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote nach diesem Abschnitt, die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Schulen zusammen. Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit wird durch Landesrecht geregelt. Dabei kann durch Landesrecht auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.

 


§ 13a SGB VIII enthält einen doppelten Landesrechtsvorbehalt. Nach Satz 3 kann im Landesrecht näheres zum Inhalt und zur Ausgestaltung der Schulsozialarbeit geregelt werden, zB zu
- Beratungsangeboten,
- Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule,
- Präventionsaufgaben,
- Einsatz von Fachkräften.
Nach Satz 4 kann Landesrecht darüber hinaus festlegen, wer für die Erbringung der Schulsozialarbeit zuständig ist bzw. wie die Aufgaben bei unterschiedlicher Zuständigkeit verteilt sind.
Landesrecht kann demnach verschiedene Lösungen zur Erbringung von Aufgaben der Schulsozialarbeit vorsehen:
- Lösungsmöglichkeit 1 „Dach Kinder- und Jugendhilfe“: Treffen die landesrechtlichen Schulgesetze keine Regelung zur Leistung von Schulsozialarbeit durch Schule, wird die Kinder- und Jugendhilfe diese grundsätzlich aufgrund seiner Verpflichtung nach § 13a SGB VIII zu übernehmen haben.
- Lösungsmöglichkeit 2 „Dach Schule“: Landesrecht kann gem. Satz 4 auch regeln, dass für die Erbringung andere Stellen zuständig sind. Mit „andere Stellen“ werden vor allem die Schulen gemeint sein. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme ausgeführt: „§ 13a Satz 4 SGB VIII enthält eine Öffnungsklausel, die den bestehenden Angebotsstrukturen Rechnung trägt. So ist in einigen Ländern Schulsozialarbeit außerhalb der Jugendhilfe normiert, insbesondere als schulrechtliche Aufgabe und Leistung.“ (BT-Drs. 19/27481, 7). Ob bei dieser Lösung eine Restzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe verbleiben muss, weil nach dem Wortlaut der Öffnungsklausel nur die „Erbringung von Aufgaben der Schulsozialarbeit“ durch andere Stellen bestimmt werden darf (und eine vollständige Aufgabenübertragung unzulässig wäre), ist bislang noch nicht geklärt.
- Lösungsmöglichkeit „Gemeinsames Dach“: Landesrecht kann schließlich auch eine gemeinsame Verantwortung von Jugendhilfe und Schule für Schulsozialarbeit durch eine gemeinsame Trägerschaft der Schulsozialarbeit vorsehen, was die intensivste Form der Kooperation wäre. Dies entspricht der Anforderung, dass eine kooperative Zusammenarbeit in einem Gesetz geregelt werden muss (LPK-SGB VIII/Kunkel, 8. Aufl. 2022, SGB VIII, § 13a Rn. 4). Um diese Zusammenarbeit rechtssicher zu regeln, müssten Vereinbarungen geschlossen werden (nach § 53 SGB X oder nach LVwVFG), in denen ua Ziele und Inhalte der Aufgaben der Schulsozialarbeit sowie Finanzierung, das Verhältnis zu freien Trägern, Datenschutz etc festgelegt werden (LPK-SGB VIII/Kunkel SGB VIII § 13a Rn. 4)
In einigen Schulgesetzen der Länder ist auch bislang schon geregelt, dass die Schulen im Rahmen ihrer Aufgaben der Schulsozialarbeit mit den Trägern und Einrichtungen der öffentlichen und freien Jugendhilfe zusammenarbeiten (so in § 19 RPSchulG). In Niedersachsen bspw. gibt es einen Erlass, in dem die Soziale Arbeit in schulische Verantwortung gelegt wird, wobei sie in „Ergänzung zu den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe […] beim Abbau von sozialen Benachteiligungen und individuellen Beeinträchtigungen der Schülerinnen und Schüler [unterstützt]“ (RdErl. d. MK v. 1.8.2017 - 25.6 - 51 123710 – VORIS 22410).
Auch um eine gemeinsame Finanzierungsverantwortung zu schaffen, könnte sinnvoll sein, Schulsozialarbeit unter einem „gemeinsamen Dach“ der Schule und der Kinder- und Jugendhilfe zu normieren. In den meisten Bundesländern fehlt es jedoch noch an entsprechenden Regelungen.
Durch den doppelten Landesrechtsvorbehalt gibt es im Bereich der Schulsozialarbeit verschiedene Möglichkeiten, wie sie im jeweiligen Bundesland konkret ausgestaltet wird und wer am Ende die Verantwortung dafür übernimmt. Sinnvoll ist es sicherlich, auf das Potenzial und die Erfahrungen sowohl der Kinder- und Jugendhilfe als auch der Schule oder auch freier Träger zurückzugreifen. Dabei ist der Landesgesetzgeber gefragt, entsprechende Regelungen (zB in den Schulgesetzen) zu treffen.

§ 13a SGB VIII
(1) Schulsozialarbeit umfasst sozialpädagogische Angebote nach diesem Abschnitt, die jungen Menschen am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden. Die Träger der Schulsozialarbeit arbeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit den Schulen zusammen. Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit wird durch Landesrecht geregelt. Dabei kann durch Landesrecht auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden.

 

Selbst wenn Landesrecht regelt, dass die alleinige Verantwortung für die Schulsozialarbeit unter dem „Dach Schule“ liegt, so hat die Schule dann keine Weisungsbefugnis gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe. Da die Aufgaben der örtlichen Träger der Jugendhilfe als Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung ausgeführt werden, gehört die öffentliche Jugendhilfe zu den weisungsfreien Pflichtaufgaben (Wiesner/Wiesner SGB VIII, 5. Aufl. 2015, SGB VIII Vor §§ 11 ff. Rn. 25 f.). Landesrecht kann somit nicht regeln, dass die Jugendhilfe nicht mehr als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe ausgeführt wird. Sondern eben nur die Aufgabe der Schulsozialarbeit unter das „Dach Schule“ führen.
Es handelt sich bei dem neuen § 13a SGB VIII somit lediglich um eine klarstellende Regelung, sodass auch nicht die Gefahr besteht, dass durch den Landesrechtsvorbehalt die Jugendhilfe die Aufgaben der Schulsozialarbeit nur noch „nach Weisung“ erfüllen kann/muss.