OVG Magdeburg: Keine Bindungswirkung einer familiengerichtlichen Sorgerechtsübertragung auf die Großmutter für die Gewährung von Vollzeitpflege durch das Jugendamt

Eine familiengerichtliche Entscheidung über die Übertragung des Sorgerechts nach § 1630 Abs. 3 BGB auf einen Großelternteil hat keine Bindungswirkung für die Entscheidung des Jugendamts, Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 SGB VIII zu gewähren und die Eignung des Großelternteils als Pflegeperson zu bejahen. Das hat das OVG Magdeburg (22.11.2022 – 4 L 277/21 [Veröffentlichung der Leits. mit Hinw. für die Praxis in JAmt 2023, H. 3 vorgesehen; Vorabdruck s.u.]) in einer Berufungsentscheidung klargestellt, nachdem das VG Halle zuvor die Bindungswirkung angenommen hatte (VG Halle 10.11.2021 – 5 A 363/21, JAmt 2022, 460 [mit Hinw. für die Praxis 461]). Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege prüft das Jugendamt in eigener – nur verwaltungsgerichtlich (eingeschränkt) überprüfbarer – Verantwortung.

Voraussetzung für die Hilfegewährung – so das Oberverwaltungsgericht – sei neben der allgemeinen Eignung auch die Bereitschaft, die Vollzeitpflege in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt entsprechend einem Hilfeplan zu leisten. Da das Kind allerdings aufgrund der Entscheidung des Familiengerichts jedenfalls bei dem Großelternteil leben wird und das Familiengericht von der Erziehungsfähigkeit des Großelternteils ausgeht, ist das Jugendamt verpflichtet, infolge des eindeutig bestehenden erzieherischen Bedarfs Hilfe zur Erziehung auf Wunsch und bei entsprechender Eignung zu gewähren, die Ablehnung der Eignung besonders sorgfältig zu begründen und ggf. auch Unterstützung zur Herstellung der Eignung anzubieten (s. Hinw. für die Praxis zu VG Halle 10.11.2021 – 5 A 363/21 in JAmt 2022, 461 und zur aktuellen Entscheidung des VG Halle 30.3.2022 – 5 A 60/21 in JAmt 2023, 42).