Newsletter 10/2023
Aktuelle DIJuF-Veranstaltungen
DIJuF-Intern
Mündliche Verhandlung BVerfG in Karlsruhe: Ausschluss der Anfechtung des leiblichen Vaters bei sozial-familiärer Beziehung zum rechtlichen Vater (§ 1600 BGB)

Am 26.9.2023 hat das BVerfG in seiner mündlichen Verhandlung in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffend § 1600 BGB (1 BvR 2027/21) sachverständige Dritte angehört.

In dem Verfahren geht es um die Frage, ob der leibliche Vater von der Vaterschaftsanfechtung ausgeschlossen werden kann, wenn der neue Freund der Mutter die Vaterschaft mit ihrer Zustimmung anerkennt, kurz nachdem der leibliche Vater einen Antrag auf Vaterschaftsfeststellung eingereicht hat. Die Mutter hatte sich kurz nach der Geburt getrennt, das Kind lebt bis heute mit seinem sozialen/rechtlichen Vater zusammen, aber auch der leibliche Vater hat – soweit die Mutter es zulässt – Umgang mit dem Kind. In diesem Fall kollidieren die Interessen des leiblichen Vaters mit denen des rechtlichen Vaters. Darüber hinaus ist das Kindeswohl zu wahren. In der Anhörung standen Fragen zum Entstehen von Bindungen und der Bedeutung der rechtlichen Vaterschaft für die Entwicklung von Kindern im Zentrum. Das DIJuF hat im Verfahren schriftlich Stellung genommen und war in der Anhörung durch Katharina Lohse und Dr. Janna Beckmann vertreten.

DIJuF-Rechtsgutachten: Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe

Das DIJuF hat ein umfangreiches Rechtsgutachten zu Grundprinzipien, Leistungen, Schutzauftrag und strukturellen Bedingungen vor dem Hintergrund zunehmend digitaler Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen „Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe“ veröffentlicht. Teil 1 nimmt die übergreifenden Auswirkungen der Digitalisierung auf die Aufgaben und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe aus Perspektive der Kinderrechte in den Blick. Teil 2 untersucht die konkreten Befugnisse und Pflichten der Kinder- und Jugendhilfe bei einzelnen ausgewählten Aufgaben und Leistungen im Hinblick auf die Digitalisierung und in Teil 3 werden die sozialdatenschutz- sowie organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Aufgabenerfüllung dargestellt.

Das Gutachten ist im Rahmen des Projekts „JAdigital. Digitalisierung in der Kinder- und Jugendhilfe konzeptionell gestalten“ entstanden, an dem das DIJuF gemeinsam mit dem Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz gemeinnützige GmbH (ism gGmbH) und dem Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim arbeiten. Das DIJuF ist im Rahmen des Projekts, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert wird, für die rechtlichen Fragen verantwortlich.

Rechtsgutachten
Verbändeanhörung zur Kindergrundsicherung am 8.9.2023

An der Anhörung der Verbände des BMFSFJ zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Kindergrundsicherung und zur Änderung weiterer Bestimmungen vom 30.8.2023 hat für das DIJuF Petra Birnstengel online teilgenommen. Die schwierige politische Lage wurde deutlich und viel Kritik geäußert. Birnstengel wies darauf hin, dass im Entwurf keine Regelung für die Situation getrennter Eltern zur Durchsetzung des Vorrangs der Barunterhaltspflicht gibt, wenn der Kinderzusatzbetrag gezahlt wird. In der aktualisierten Fassung des BKG-E, die am 27.9.2023 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, ist dies nun in § 19 geregelt.

BMFSFJ Gesetzentwurf Kindergrundsicherung
DIJuF-Stellungnahme zum Referentenentwurf und ausgewählte Stellungnahmen anderer Institutionen
Umsetzungshinweise für die Stärkung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe durch die Jugendhilfeplanung

Die Fachgruppe „Die Rolle der Jugendhilfeplanung bei der Umsetzung des KJSG“, die unter Leitung von Dr. Janna Beckmann (DIJuF) und Elisabeth Schmutz (Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz gemeinnützige GmbH – ism gGmbH) die Umsetzung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) in den Jugendämtern begleitet, hat in einem gemeinsamen Prozess Empfehlungen für die Stärkung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe durch die Jugendhilfeplanung erarbeitet.

Umsetzungshinweise
Reform zum Unterhaltsrecht: Informations- und Austauschveranstaltung am 29.9.2023

An der Informations- und Austauschveranstaltung zum Eckpunktepapier für die Reform des Unterhaltsrechts des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) hat Petra Birnstengel für das DIJuF teilgenommen. An die Vorstellung der Inhalte durch Sylvia Frey-Simon und Nicole Siebert schloss sich eine lebhafte Diskussion über insbesondere die Bemessung der Betreuungsanteile und das Berechnungsmodell zur Unterhaltshöhe sowie der gesamtpolitischen Einordnung des Eckpunktepapiers an. Zahlreiche Kritikpunkte nahm das BMJ zur Kenntnis. Die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs ist im vollen Gange. Sehr positiv wurde aufgenommen, dass die Vereine und Verbände bereits in diesem frühen Stadium der Reform einbezogen wurden, wenn auch das Zeitfenster für den Austausch sehr knapp bemessen war.

Online-Sondersitzungen des Praxisbeirats Beistandschaft und der Ständigen Fachkonferenz 3 (SFK 3): Familienrecht und Beistandschaft, Amtsvormundschaft

Aus Anlass des Eckpunktepapiers zur Reform des Unterhaltsrechts wurde am 27.9.2023 eine Sondersitzung des Praxisbeirats Beistandschaft online abgehalten. Die Diskussionsergebnisse und Kritikpunkte aus dem Praxisbeirat konnte Petra Birnstengel in der am 28.9.2023 abgehaltenen Sitzung der SFK 3, unter dem Vorsitz von Gretel Diehl, VorsRiOLG Frankfurt a. M. iR, Nicole Siebert vom BMJ übermitteln. Außerdem hat die SFK3 einen Änderungsvorschlag zu § 59 SGB VIII und § 727 ZPO endabgestimmt, der demnächst veröffentlicht wird.

24. Deutscher Familiengerichtstag (DFGT)

Der 24. Deutsche Familiengerichtstag e. V. hat vom 22. bis 23.9.2023 in Bonn stattgefunden. An der Veranstaltung teilgenommen haben vom DIJuF Katharina Lohse, Fachliche Leiterin, Petra Birnstengel, Annalena Würz und Kateryna Lamonova. Neben einer Vielzahl an Arbeitskreisen (AK) und Vorträgen wurde in einer Sonderveranstaltung über das Eckpunktepapier zur Unterhaltsrechtsreform diskutiert.

Petra Birnstengel hat sich im AK „Der Unterhaltsbedarf des Kindes – Regelbedarf, Zusatzbedarf und Auswirkungen auf andere Unterhaltsansprüche“ eingebracht, der von RiOLG Frankfurt a. M. Dr. Renata von Pückler, Kommentatorin im „Grüneberg“ der §§ 1601–1615n BGB, geleitet wurde. Der AK hat sich ua mehrheitlich dafür ausgesprochen, nicht mehr zwischen Mehr- und Sonderbedarf zu unterscheiden, sondern den Zusatzbedarf einheitlich zu regeln. Außerdem wurde ein eindeutiges Votum dafür abgegeben, dass konkrete Rechenmodelle nicht nur für den erweiterten Umgang, sondern auch für das symmetrische Wechselmodell vom Gesetzgeber entwickelt werden solle.

Annalena Würz hat an den AK „Brüssel IIb-VO – erste Erfahrungen“ von Rechtsanwältin Dr. Kerstin Niethammer-Jürgens, Berlin, und RiAG Hamm Martina Erb-Klünemann sowie „Möglichkeiten und Grenzen von Geboten nach § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB“ von Prof. Dr. Ludwig Salgo teilgenommen, Kateryna Lamonova am AK „Abänderung von Unterhaltstiteln – zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit“ von Andreas Frank, DirAG Cuxhaven.

Ergebnisse der Arbeitskreise
Diskussion von Reformbedarfen im Umgangs- und Sorgerecht im Kontext häuslicher Gewalt am 8.9.2023

Das Deutsche Institut für Menschenrechte e. V. hat am 8.9.2023 Anwält:innen, Richter:innen und Personen aus der Wissenschaft zu einer Online-Diskussion von Reformbedarfen im Umgangs- und Sorgerecht eingeladen. Seit Jahren wird in Politik, Justiz, Praxis und Wissenschaft die Notwendigkeit von Reformen im Umgangs- und Sorgerecht im Kontext häuslicher Gewalt diskutiert. Im Jahr 2023 befasst sich auch die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt vertieft mit dem Thema, ob und wie gesetzliche Regelungen im Umgangs- und Sorgerecht vor dem Hintergrund der Anforderungen aus der Istanbul-Konvention angepasst werden können, um häusliche Gewalt in Entscheidungen zu Umgangs- und Sorgerecht besser berücksichtigen und einen lückenlosen Schutz von Betroffenen und ihren Kindern gewährleisten zu können. Aus dem DIJuF war Katharina Lohse zu dem Termin eingeladen, bei dem erste Vorschläge und Anregungen vorgestellt und gemeinsam diskutiert wurden.

Anhörung zum saarländischen Kinderschutzgesetz am 21.9.2023

In einer umfangreichen Anhörung hat der saarländische Landtag am 21.9.2023 die Stellungnahmen von rd. 60 Verbänden zum saarländischen Kinderschutzgesetz (SKG) gehört. Das DIJuF war eingeladen und hat eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. In dieser begrüßt das DIJuF die Initiative der Saarländischen Regierung, den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Kindeswohlgefährdungen durch die Einführung eines Landeskinderschutzgesetzes und die Weiterentwicklung des Schulordnungsgesetzes (SchoG) zu verbessern. Bedenken äußert das DIJuF hinsichtlich der geplanten Verbindung von Kinderschutzbeauftragter und Ombudsstelle. Angeregt wird außerdem, eine strukturelle Einbeziehung Betroffener zu erwägen, die datenschutzrechtlichen Grundlagen und das Verhältnis von Schulgesetz (§ 1 Abs. 2b SchoG-E) und § 4 KKG zu präzisieren sowie in § 1 Abs. 1 SKG-E das verfassungsrechtlich verankerte Recht des Kindes auf Achtung seiner Würde, auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) voranzustellen.

Stellungnahme des DIJuF
Arbeitsgruppe „Inklusives SGB VIII“ am 12.9.2023 in Berlin

Am 12.9.2023 fand in Berlin die fünfte Sitzung der vom BMFSFJ initiierten Arbeitsgruppe „Inklusives SGB VIII“ statt. Aus dem DIJuF diskutierte Katharina Lohse mit den Gruppenmitgliedern zum Themenschwerpunkt „Verfahren und Struktur“, in dem insbesondere die Aspekte Gerichtsbarkeit und Finanzierung sowie der Bereich der Kostenheranziehung erörtert wurden. Vor dem abschließenden Rückblick auf den Arbeitsgruppenprozess wurde die Problematik der „Fachkräftegewinnung und -sicherung in den Blick genommen.

4. Sitzung des Projektbeirats „Wegweiser Verfahrenslots:innen“

Die Verbände Evangelischer Erziehungsverband e. V. (EREV) und Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e. V. (BVkE) entwickeln im Auftrag des BMFSFJ ein Curriculum zur Qualifizierung von Verfahrenslots:innen („Werkzeugkoffer II“). Dabei werden sie von einem Projektbeirat unterstützt, in dem das DIJuF durch die Fachliche Leiterin Katharina Lohse vertreten ist. Am 22.9.2023 fand die 4. Beiratssitzung statt, an der für das DIJuF Sarah Ehlers teilgenommen hat. Im Zentrum stand die Frage, wie die verschiedenen Perspektiven – Träger der freien und öffentlichen Jugendhilfe, junge Menschen, Eltern von Kindern in Frühförderung – und wie die Umsetzung der Aufgaben nach § 10b Abs. 2 SGB VIII – Unterstützung bei organisatorischen Veränderungen in den Jugendämtern und Berichterstattung der Verfahrenslots:innen – in das Curriculum einfließen können.

Weiterentwickelte Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege

Die jährlich vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (DV) herausgegebenen Empfehlungen für die Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege wurden am 19.9.2023 vom Präsidium des Deutschen Vereins verabschiedet. Diesen Empfehlungen ging eine Arbeitsgruppe voraus, dessen Mitglieder aus Praxis und Forschung – unter ihnen Vanessa Brackmann aus dem DIJuF – die deutliche Erhöhung des Erziehungsbeitrags gem. § 39 SGB VIII auf 420 EUR (von derzeit 275 EUR) empfohlen hatten.

Empfehlung des Deutschen Vereins
DIJuF-Rechtsgutachten: Sorgerechtsvollmacht zur Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung

Den Fachkräften des Jugendamts werden regelmäßig Sorgerechtsvollmachten zwischen Eltern im jugendamtlichen Verfahren zur Bewilligung einer Hilfe zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII vorgelegt. Ein neues DIJuF-Rechtsgutachten geht der Frage nach, ob bei gemeinsamer elterlicher Sorge ein Elternteil dem anderen Elternteil eine alle Angelegenheiten des Kindes umfassende Sorgerechtsvollmacht (sog. Generalvollmacht) erteilen kann und in welchen Konstellationen das Einverständnis zu einer Hilfe zur Erziehung davon umfasst ist. Es ist veröffentlicht in JAmt 2023, 461.

DIJuF-Rechtsgutachten: Sorgerechtsvollmacht zur Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung
DIJuF-Rechtsgutachten: Zustimmungs- und Konsultationspflichten betreffend Ferienfreizeiten im Ausland

In der Fachöffentlichkeit wird aktuell kontrovers diskutiert, ob in Fällen von Ferienfreizeiten stationärer Wohngruppen oder auch Urlaubsreisen von Pflegefamilien ins Ausland zwingend ein Zustimmungs- bzw. Konsultationsverfahren im Zielland durchzuführen ist. Ein neues DIJuF-Rechtsgutachten prüft die unterschiedlichen Fallkonstellationen unter Berücksichtigung des aktuellen Meinungsstands. Veröffentlicht ist es in JAmt 2023, 467.

DIJuF-Rechtsgutachten: Zustimmungs- und Konsultationspflichten betreffend Ferienfreizeiten im Ausland
Neu auf KiJuP-online:
Themengutachten Mieteinkünfte im Unterhaltsrecht, TG-1278

Auch Mieteinkünfte gehören bekanntlich zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen. In dem neuen Themengutachten Mieteinkünfte im Unterhaltsrecht, TG-1278 machen das Autorenteam Prof. Dr. Bernhard Knittel und Petra Birnstengel grundlegende Ausführungen zur Bereinigung von Mieteinkünften im Unterhaltsrecht und erläutern den maßgebenden Zeitraum der Mieteinnahmen (Fragen 2 und 3). Der besondere Fokus wird auf die Berücksichtigung von Krediten für die vermieteten Immobilien gelegt (Frage 5). Höchstrichterliche Rechtsprechung fließt ein, so zB zur Nicht-Berücksichtigung von Abschreibungen (Frage 6). Das Themengutachten ist auf KiJuP-online.de abrufbar.

Neues aus Politik, Praxis und Rechtsprechung
„Kindergrundsicherung muss auch Geflüchtete einschließen“ – UN-KRK nicht berücksichtigt

Am 27.9. dJ hat das Bundeskabinett den von Bundesfamilienministerin Lisa Paus vorgelegten Gesetzentwurf zur Einführung einer Kindergrundsicherung beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, bisherige finanzielle Förderungen wie das Kindergeld, die Leistungen für Kinder und Jugendliche im Bürgergeld und der Sozialhilfe, den Kinderzuschlag und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets durch die neue Leistung Kindergrundsicherung zu ersetzen.

Mit einem breiten Bündnis fordern 23 zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland die Kindergrundsicherung auch für geflüchtete Kinder. Der Entwurf schließt Kindergrundsicherung aus, wenn Kinder Leistungen nach dem AsylbLG erhalten. Dieses sei aber nicht mit der UN-KRK vereinbar, die in Deutschland für alle Kinder gleichermaßen gültig ist: Gem. Art. 2 sei damit jede Diskriminierung aufgrund der Herkunft und des Aufenthaltsstatus der Kinder ausgeschlossen, bei allen politischen Maßnahmen zudem das Wohl aller Kinder gem. Art. 3 vorrangig zu berücksichtigen.

BMFSFJ Gesetzentwurf Kindergrundsicherung
Statement „Kindergrundsicherung muss auch Geflüchtete einschließen
S.a. DIJuF-Stellungnahme und ausgewählte Stellungnahmen anderer Institutionen
VAMV-Stellungnahme zum Eckpunktepapier des BMJ zur Reform des Unterhaltsrechts

Wie vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) angekündigt, sollen die Eckpunkte für die Reform des Unterhaltsrechts zur öffentlichen Diskussion gestellt werden (s. JAmt 9/2023, V). Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V. (VAMV) hat sich dem angenommen und eine Stellungnahme verfasst: Laut BMJ soll mit der Reform das Unterhaltsrecht fairer gestaltet werden. Dafür sollen die finanziellen Lasten der Betreuung von Kindern ab mehr als 29 % Mitbetreuung fairer verteilt werden, indem beide Eltern verantwortlich für den Barunterhalt werden. In seiner Stellungnahme bemängelt der VAMV, dass das Ziel einer fairen Lastenverteilung jedoch durch die Eckpunkte nicht erreicht würde, da erhebliche Unterhaltskürzungen weder erheblichen Entlastungen der alleinerziehenden Elternteile im Alltag noch besseren Erwerbschancen dieser entgegenstünden. Fraglich sei in diesem Zusammenhang ebenso die Definition von „Alleinerziehung: Bei 31 % Mitbetreuung sei nach dem BMJ der mit 69 % hauptbetreuende Elternteil nicht mehr alleinerziehend, obwohl sich der Lebensmittelpunkt nach wie vor bei diesem befände – und somit die Armutsgefährdung des Kindes weiter steige. Ob eine solche Reform im Interesse des Kindes sein kann, sei somit mehr als fraglich. Denn für das Wohl des Kindes sei entscheidend, dass das Kind in beiden Elternhaushalten gut versorgt ist.

VAMV-Stellungnahmen
Stellungnahme: Kinder schützen heißt Vertrauen wahren! Für eine Abschaffung des § 4 Abs. 6 KKG

Mit der Reform des SGB VIII durch das KJSG und der Einführung des § 4 Abs. 6 KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz) wurde es den Bundesländern freigestellt, Formen des nicht anonymisierten interkollegialen Fachaustauschs unter Ärzt:innen und psychologischen Psychotherapeut:innen zu ermöglichen. Unklar bleibt dabei jedoch, was genau ein interkollegialer Austausch iSd KKG ist, welche Informationen dort ausgetauscht werden und wie die Einbeziehung bzw. Information der Betroffenen zu erfolgen hat.

Anlässlich dieser Änderungen zeigen sich die Deutsche Gesellschaft für Therapie, Beratung und Familientherapie e. V. (DGSF) und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren (BAG KIZ) sowie weitere zwölf Fachverbände, Organisationen und Expert:innen in einem aktuellen Positionspapier unter dem Titel „Kinder schützen heißt Vertrauen wahren! Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und Medizin stärken – für eine Abschaffung des § 4 Abs. 6 KKG“ besorgt. Die Unterzeichner:innen befürchten eine Verschlechterung des Kinderschutzes und die Aussetzung fundamentaler Prinzipien für eine vertrauensvolle Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern.

Mit dem Positionspapier soll die Fachöffentlichkeit für die möglichen Folgen der Regelung des § 4 Abs. 6 KKG sensibilisiert und eine Debatte über Rahmenbedingungen gelingender Kooperation zwischen Jugendhilfe, Medizin und Psychotherapie angestoßen werden. BAG KIZ und DGSF planen dazu voraussichtlich im Herbst 2023 auch ein Fachforum „Kooperativer Kinderschutz“.

Stellungnahme: Kinder schützen heißt Vertrauen wahren! Für eine Abschaffung des § 4 Abs. 6 KKG
BVkE: Offener Brief „Zuständigkeitsverlagerung für unter 25-Jährige vom SGB II ins SGB III“

Nach heutigem Stand würden über 700.000 junge Menschen unter 25 Jahren für die aktive Arbeitsförderung zum Jahresbeginn 2025 in das SGB III wechseln. Diese große Gruppe junger Menschen gilt es, nicht nur in Zeiten des flächendeckenden Arbeitskräftemangels bestmöglich zu unterstützen und zu qualifizieren, um deren (weitere) soziale Ausgrenzung zu verhindern.

Der Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e. V. (BVkE) und weitere unterzeichnende Fachverbände fordern in einem Offenen Brief an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, das Vorhaben aus seinem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu stoppen: Die Rechte der jungen Menschen zu verwirklichen und ihnen eine diskriminierungsfreie und chancengerechte Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, bedeute vor allem auch, sie nicht in Armut aufwachsen zu lassen.

In dem Offenem Brief „Zuständigkeitsverlagerung für unter 25-Jährige vom SGB II ins SGB III“ bitten die Verbände, das Vorhaben mit zu unterstützen.

Offener Brief
AFET-Impulspapier: Strukturmodelle inklusiver Jugendhilfe – von den Familien her gedacht

Das neue AFET-Impulspapier „Strukturmodelle inklusiver Jugendhilfe – von den Familien her gedacht“ von Annika von Walter und Alexa Keinert analysiert, wie eine Integration der Eingliederungshilfe in die Jugendämter vorstellbar ist und wie diese dem Anspruch des KJSG entsprechend am besten aussehen könnte. Passend zum Impulspapierthema sind eine umfassende Zusammenstellung zum „Inklusiven SGB VIII“ erschienen sowie weitere vielfältige Veröffentlichungen.

Impulspapier 9/2023
Zusammenstellung „Inklusives SGB VIII“
JAmt Heft
JAmt Heft 10 ist in der Produktion und erscheint in den nächsten Tagen mit folgenden Aufsätzen.

„Erteilen einer Sorgerechtsvollmacht an das Jugendamt oder einen anderen Dritten – Teil II Rechtliches Grundverhältnis, rechtliche Folgen und rechtliche Grenzen", Prof. Dr. Birgit Hoffmann (JAmt 2023, 442)

„Zwischen Ich und Du darf kein Zweck stehen Resonanz(-theorie) für ,Systemsprenger‘", Birte Büchner, Andrea Steinhagen, Dominik Sommer, Jan Gumlich, Prof. Dr. Frank Früchtel (JAmt 2023, 446)

„Wozu „Koordinierungsstellen“ in der Vormundschaft? Momentaufnahmen aus einem dynamischen Feld", Dr. Miriam Fritsche (JAmt 2023, 451)

Inhaltsverzeichnis JAmt Heft 10/2023