Coronavirus-FAQ

Beurkundungsrecht

Urkundspersonen haben zwar – gleichermaßen wie Notare – eine „Urkundsgewährungspflicht“: Als Träger eines staatlichen Beurkundungsmonopols sind sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit verpflichtet, zumindest ein Verfahren bereitzustellen, das zu einer Beurkundung führen kann. Generell können sie entsprechende Amtshandlungen nur ablehnen, wenn das Ergebnis aus Rechtsgründen unwirksam wäre oder Beteiligte damit erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgen (§ 4 BeurkG).

In Zeiten einer allgemeinen und extremen gesundheitlichen Gefahr durch ein hochansteckendes Virus haben jedoch die Ziele der flächendeckend bundesweit angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen Vorrang. In aktuellen öffentlich-rechtlichen Regelungen über Ausgangsbeschränkungen und -sperren wird allerdings dem Bedürfnis nach Ermöglichung von Behördengängen etc Rechnung getragen, zB in der Corona-Schutz-Verordnung des Freistaates Sachsen vom 8.1.2021. So stellt die „Wahrnehmung von Terminen der Behörden, Gerichte, Staatsanwaltschaften oder anderer Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen“ gem. § 2b Nr. 9 SächsCoronaSchVO einen triftigen Grund dar, der dazu berechtigt, die häusliche Unterkunft zu verlassen. Hierauf wird zB auch auf Internetseiten von Notariaten hingewiesen, deren Tätigkeitsfeld mit den Beurkundungen im Jugendamt vom Grundsatz her durchaus vergleichbar ist.

Unter Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen(s. FAQ "Welche allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen sollten bei derzeit durchgeführten Beurkundungen ergriffen werden?") sollte die Möglichkeit offengehalten werden, einemdringlichen Beurkundungswunsch zu entsprechen.

Ein solcher wird im Allgemeinen freilich nicht für Unterhaltsverpflichtungen vorgebracht werden können. Wenn die  generellen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs vorliegen (vgl. § 1613 Abs. 1 BGB), entsteht dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig kein gewichtiger Nachteil, sofern der Titel einige Wochen später errichtet werden sollte als zunächst gewünscht oder beabsichtigt.

Auch nachgeburtliche Abstammungsbeurkundungen sind regelmäßig nicht so dringlich, dass sie nicht aufschiebbar wären. Ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen drohen und die Anerkennung einer Vaterschaft einem ausländischen Beteiligten zu einem Aufenthaltsrecht verhelfen könnte (sofern kein Missbrauchsfall nach § 1597a BGB vorliegt). Ob aber Ausländerbehörden in dieser extremen gesundheitlichen Situation (auch mit Gefährdung von polizeilichen Kräften bei unnötigen Einsätzen) und vor dem Hintergrund von weltweit geltenden Reisebeschränkungen tatsächlich in allernächster Zukunft Abschiebungen durchsetzen, müsste im Einzelfall abgeklärt werden.

Wenn vom Beurkundungswilligen ein solcher Grund geltend gemacht wird, sollte unbedingt ein nachprüfbarer Beleg hierfür verlangt oder – ggf. im Einverständnis mit den Beteiligten – der Sachverhalt mit der zuständigen Ausländerbehörde geklärt werden.

Ob „ein bevorstehender Krankenhausaufenthalt“ insoweit relevant sein kann, erscheint fraglich. Bei akuten Erkrankungen (vielleicht sogar mit Lebensgefahr) mag abstrakt gesehen ein Bedürfnis für eine alsbaldige Beurkundung der Abstammung bestehen. Ob der Beteiligte aber dann noch in der Lage wäre, das Jugendamt aufzusuchen, dürfte vielfach zweifelhaft sein. Ob eine rechtlich grundsätzlich zulässige Beurkundung in der häuslichen Umgebung des Beteiligten oder gar bereits in der Klinik sinnvoll, ärztlicherseits erlaubt und gesundheitlich unbedenklich wäre, bedürfte einer Prüfung im Einzelfall.

Allgemein nachvollziehbar wäre ein vorgeburtlicher Beurkundungswunsch, damit die Abstammungsverhältnisse des Kindes bereits vorweg geregelt sind. Wenn ein Jugendamt allerdings seine Beurkundungstätigkeit vorerst für einen überschaubaren Zeitraum von einigen  Wochen eingestellt bzw. erheblich eingeschränkt hat, könnten die werdenden Eltern aber auch insoweit um Verständnis dafür gebeten werden, dass ein Beurkundungstermin erst danach (freilich mit absoluter Priorität) angeboten werden kann.

Generell muss ohnehin gesehen werden, dass eine vorübergehende Einstellung der Beurkundungstätigkeit zu einem Bearbeitungsstau führen wird, der – wenn er nicht zulasten der Betroffenen über viele Monate hinweg fortgeführt werden soll –, anschließend durch erhöhten Einsatz abgebaut werden muss.

In einem derartigen Fall hat sich der oder die Erkrankte für die Dauer der anzunehmenden Inkubationszeit in Quarantäne zu halten. Eine Beurkundung ist dann erst recht nicht möglich. Ein Termin kann erst angesetzt werden, wenn jedes gesundheitliche Risiko ausgeschlossen ist.

Die Urkundsperson sollte in Kenntnis einer solchen Erkrankung bei Beteiligten auf einer diesbezüglichen ärztlichen Bescheinigung bestehen, dass von ihnen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht. Im Falle des Kontakts eines Beteiligten zu einer erkrankten Person kann ein Nachholtermin erst nach Ablauf der maßgebenden Quarantänezeit angesetzt werden.

Auch notariell beurkundete Erklärungen über die Anerkennung der Vaterschaft sowie Verpflichtungen zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen eines Kindes sind gebührenfrei. Das ist allerdings an sehr versteckter Stelle geregelt. Es ergibt sich aus der Vorbemerkung 2 Abs. 3 zu Teil 2 (Notargebühren) des Kostenverzeichnisses zum GNotKG (als Anlage 1 dieses Gesetzes, zu § 3 Abs. 2 GNotKG). Für entsprechende Amtshandlungen können Notariate somit allenfalls Auslagen, nicht aber Gebühren, in Rechnung stellen.

Selbst für ein diesbezügliches, der Höhe nach sehr begrenztes, Haftungsverlangen sollte aber kein Raum sein, wenn die betreffenden Beteiligten nicht nachweisen können, dass eine unverzügliche Beurkundung vor einem Notariat zwingend notwendig gewesen sei und die Urkundsperson beim Jugendamt ihnen zuvor zu Unrecht einen sofortigen Termin verwehrt habe.

Insoweit kommen als Ausgangspunkt die Empfehlungen in Betracht, welche ärztlicherseits und von Gesundheitsbehörden bereits derzeit eindringlich über die Medien verbreitet werden, ergänzt durch weitere auch von Notariaten für ihren Bereich verkündeten Regeln und von Überlegungen des „praktischen Hausverstands“:

- Aufsuchen des Jugendamts nur nach telefonischer Voranmeldung

- dabei Ersuchen um Absehen von einem solchen Besuch bei vorhandenen Symptomen (Fieber, Husten, Atembeschwerden)

- keine persönliche Vorsprache, wenn bewusst Kontakt mit Infizierten bzw. sich derzeit in Quarantäne befindenden Personen bestand

- kein Mitbringen von Kindern oder anderen entbehrlichen Begleitpersonen zum Beurkundungstermin

- Auswahl eines genügend großen und gut belüftbaren Besprechungsraums

- kein Händeschütteln, Benutzung angebotener Desinfektionsmittel

- Tragen geeigneter Mundschutz-Masken sowohl durch die Urkundsperson als auch die Beteiligten; generell kann deren Mitbringen erwartet werden. Soweit seitens des Jugendamts auf hochwertige FFP2-Masken Wert gelegt wird, sollten diese in Absprache mit der Dienstleitung in ausreichender Zahl vorrätig gehalten werden, solange ihr öffentliches Tragen im jeweiligen Bundesland noch nicht allgemein angeordnet wurde oder erwartet werden kann

- mind. 1,50 m Abstand im Stehen wie bei der Sitzordnung

- Einsatz von Plexiglasscheiben als „Spuckschutz“ zwischen Urkundsperson und Beteiligten, ggf. auch vor zum Dolmetscher hinzugezogenen Personen

- Berühren von präsentierten Ausweisen – wenn überhaupt – möglichst nur mit Einweghandschuhen;

- zur Unterschrift Kugelschreiberindividuell für jeden Beteiligten ausreichen, ggf. auch für Dolmetscher, wobei die Schreibgeräte zuvor und anschließend desinfiziert werden. Alternativ können die Beteiligten gebeten werden, eigene Schreibgeräte mitzubringen.

Die Anregung, durch selbstgefertigte Merkblätter in verschiedenen gängigen Sprachen die Beteiligten über diese Vorgaben und Vorkehrungen zu informieren, erscheint sinnvoll.

Soweit ein Jugendamt wegen der aktuellen Lage Urkundspersonen dahingehend anhalten will, „die Urkunden so weit vorzubereiten, dass der Bürgerkontakt nur noch für die Dauer des Verlesens andauern sollte (einschl. Einschätzung Geschäftsfähigkeit etc)“, ist freilich zu bedenken:

Wenn Beurkundungen tatsächlich durchgeführt werden, darf der qualitative Standard nicht unvertretbar abgesenkt werden. Das Wesen der förmlichen Beurkundung zur Schaffung von rechtsverbindlichen Titeln und von mit öffentlichem Glauben dokumentierten Erklärungen als Grundlage für Abstammung und Sorge beschränkt sich schließlich nicht auf das bloße Verlesen eines Textes und dessen Unterzeichnung.

Zu den diesbezüglichen Pflichten der Urkundsperson gehört zunächst einmal die Feststellung des Sachverhalts. Dieser mag sich weitgehend im Vorfeld klären lassen, aber nicht immer vollständig.

In jedem Fall ist die Urkundsperson zu einer Belehrung der Beteiligten gehalten, die nicht durch die bloße Aushändigung eines Formblatts ersetzt werden kann. Die Beteiligten sind über das Wesen von Anerkennung der Vaterschaft samt Zustimmung, Sorgeerklärung und Unterhaltsverpflichtung verständlich zu belehren, wobei auch die Möglichkeit bestehen muss, einschlägige Fragen zuzulassen und zu beantworten. Im Zweifel muss sich die Urkundsperson selbst vergewissern, ob die Beteiligten im Kern verstanden haben, worum es geht und was sie rechtsverbindlich erklären bzw. wozu sie sich verpflichten. In diesem Zusammenhang kann auch ein persönlicher Eindruck davon gewonnen werden, ob Anhaltspunkte für fehlende Geschäftsfähigkeit vorliegen. Denn nur auf eine solche muss die Urkundsperson nach § 11 Abs. 1 BeurkG reagieren. Sie braucht keine positiven Feststellungen zur Bejahung der Geschäftsfähigkeit zu treffen, was ihr mangels einschlägiger medizinischer Fachkenntnisse häufig auch gar nicht möglich wäre.

Schließlich ist zu bedenken, dass bei Abstammungsbeurkundungen unter Ausländerbeteiligung sich die Problematik stellen kann, ob Anhaltspunkte für einen Missbrauch iSv § 1597a BGB vorliegen. Dies kann kaum abschließend im Vorfeld geklärt werden, sondern sich möglicherweise erst im Gespräch während des Termins herauskristallisieren.

All dies wird noch dazu verlängert und erschwert, wenn mindestens eine sprachunkundige ausländische Person beteiligt ist und Belehrungen, Fragen und Antworten sowie verlesener Text übersetzt werden müssen.

Die Vorstellung, den Bürgerkontakt „auf die Dauer des Verlesens zu beschränken“, erscheint deshalb wenig realistisch. Wer das Risiko einer Infektion aus diesem Anlass drastisch einschränken will, mag Beurkundungen vorerst für eine gewisse Zeitdauer gänzlich aussetzen (mit dem Vorbehalt einer Ausnahme für tatsächlich extrem eilbedürftige Anlässe). Stattdessen eine „Beurkundung light“ anzubieten, die elementare gesetzliche Vorgaben und herkömmliche bewährte Gepflogenheiten außer Acht lässt, wäre mit dem gebotenen Amtsverständnis von Urkundspersonen und auch dem Text wie dem Geist des BeurkG schwerlich vereinbar.

In einer ersten Stellungnahme vom 8.4.2020 zu dieser Frage hatte das Institut die Auffassung vertreten, das Beurkundungsgesetz verbiete nicht ausdrücklich die Zuschaltung von Dolmetschern über eine Videoverbindung (wohingegen eine bloß telefonische Einbeziehung von vornherein als ungeeignet ausscheiden dürfte).

Ihr stünden aber mehrere rechtliche Probleme und Bedenken entgegen:

- die gebotene Unterschrift des Dolmetschers unter die Niederschrift (§ 16 Abs. 3 S. 5 BeurkG)

- die nicht erfüllbare Anforderung, dass auf Verlangen eines Beteiligten eine schriftliche Übersetzung gefertigt werden solle (§ 16 Abs. 2 S. 2 BeurkG)

- die Schwierigkeiten für Dolmetscher anhand von auf die Distanz kaum wahrnehmbaren Reaktionen der Beteiligten festzustellen, ob diese die Übersetzung auch wirklich verstanden haben

- die bei diesem Vorgehen erhöhte Hemmschwelle für ausländische Beteiligte, übersetzungsbedürftige Verständnisfragen zu stellen

Deshalb war von hier aus allgemein von einer solchen Handhabung abgeraten worden. Sie komme allenfalls für seltene Ausnahmefälle in Betracht, in denen es sonst nicht möglich sei, Dolmetscher etwa für besonders seltene Sprachen zu einem bestimmten Beurkundungstermin hinzuzuziehen. Allein die Covid-19-bedingten Schwierigkeiten seien kein Grund zu einer lockeren Handhabung nur mit dem Ziel, die Zahl der bei einer Beurkundung anwesenden Personen möglichst zu verringern.

Inzwischen ist aus Notarkreisen die Auffassung vertreten worden, dass sogar eine auf seltene Ausnahmefälle beschränkte Hinzuziehung eines Dolmetschers „im Videochat“ unzulässig sei. Das folge aus dem Zusammenwirken von § 13 Abs. 1 S. 1 mit § 16 Abs. 2 S. 1 BeurkG: Wenn nach der erstgenannten Vorschrift die Niederschrift den Beteiligten in Gegenwart „des Notars“ vorgelesen werden muss und sie nach der zweitgenannten Norm anstelle des Vorlesens zu übersetzen ist, sei hieraus abzuleiten: Auch den Dolmetschern müssen für ihre Mitwirkung an der Beurkundung „gegenwärtig“, dh körperlich im Raum anwesend sein.

Angesichts der offenbar sehr verbreiteten fachlichen Unterstützung für diese Auslegung erscheint es wenig sinnvoll, sie mit weiteren Erwägungen zu hinterfragen. Das gilt umso mehr, als eventuell das Risiko einer Unwirksamkeit der Beurkundung drohen könnte, falls einmal in einem späteren Streitfall ein Gericht hierüber zu urteilen hätte.

Das Institut hält deshalb nicht mehr an der zunächst vertretenen Auffassung fest, dass die Hinzuziehung eines Dolmetschers über eine Videoverbindung zwar rechtliche Probleme und praktische Schwierigkeiten aufwerfe, aber nicht generell völlig ausgeschlossen sei. Vielmehr muss sie nach dem jetzigen Diskussionsstand als ausnahmslos unzulässig angesehen werden.