Coronavirus-FAQ

Zwangsvollstreckung

Aus Gründen der Lesbarkeit wurde bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Müssen es Unterhaltsgläubiger hinnehmen, dass Gerichtsvollzieher die vom FamG angeordnete Verhaftung eines auskunftsunwilligen Schuldners zwecks Erzwingung der angeordneten Auskunftserteilung unter Hinweis auf angebliche Eigengefährdung durch die Maßnahme vorerst ablehnen? Wie lange behält ein solcher Haftbefehl Gültigkeit?

1. Dem Institut wurde im Frühjahr 2020 bekannt, dass seit Beginn der weitgehenden infektionsschutzbedingten Kontaktbeschränkungen in der zweiten Märzhälfte 2020 auch Gerichts-vollzieher bundesweit vielfach ihre Amtstätigkeit mit Außenwirkung erheblich eingeschränkt haben und nur besonders eilbedürftige Aufträge ausführten. Sie beriefen sich hierbei zumeist auf entsprechende Anordnungen bzw. zumindest eine allgemeine Billigung seitens der jeweils zuständigen Justizverwaltung unter Bezugnahme auf die den Gerichtsvollzieher zustehende Ermessensausübung. Hinzu kam, dass ihnen teilweise – so ausdrücklich in NRW – vom Dienstherrn zumindest anfangs auch keine ausreichende Schutzausrüstung (zB geeignete Mundschutzmasken) zur Verfügung gestellt wurde. Ein weiteres Problem bestand darin, dass ein verhafteter Schuldner in die nächstgelegene JVA eingeliefert werden muss. Die Landesjustizverwaltungen – so insbesondere auch in NRW – waren aber zunächst bestrebt, die Belegung der Haftanstalten zur Verminderung der Covid-19-Ansteckungsgefahren möglichst zu verringern, etwa durch den Aufschub von Strafvollstreckungen, durch die vorzeitige Haftentlassung bei leichteren Vergehen usw.

Es war anzunehmen – auch wenn dem Institut insoweit keine umfassenden konkreten Informationen vorlagen –, dass hierzu auch die Anweisung gehörte, derzeit keine „Zivilhäftlinge“ aufgrund von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung (§ 802g, § 888 Abs. 1 S. 3 ZPO) aufzunehmen.

2. Nach vom Institut eingeholten Informationen bei einzelnen Landesjustizverwaltungen hat sich aber die Lage seit Sommer 2020 deutlich entspannt. Zum einen verfügen Gerichtsvollzieher durchweg über geeignete Schutzausrüstung und zum anderen können sie nach wie vor auch polizeiliche Hilfe bei der Verhaftung eines Schuldners in Anspruch nehmen.

Hinweise von Landesjustizverwaltungen auf das dem Gerichtsvollzieherpersonal in einzelnen Fällen zustehende Ermessen bestehen zwar teilweise nach wie vor. Sie können aber schwerlich als Ermutigung zum allgemeinen Absehen von den hier in Rede stehenden Vollstreckungsmaßnahmen verstanden werden.

Jedenfalls in Bayern wurden seit August 2020 auch wieder verhaftete Schuldner in die jeweils zuständige JVA aufgenommen, zumal die Belegung der Haftanstalten allgemein durch verschiedene Maßnahmen zurückgegangen war. Dass sich neuerdings insoweit aktuelle Schwierigkeiten vor Ort ergeben hätten, ist nicht bekannt. In anderen Ländern dürfte sich die Lage ähnlich darstellen.

3. Ein Gläubiger kann sich mit der sog. „Erinnerung“ nach § 766 Abs. 2 ZPO an das Vollstreckungsgericht wenden, wenn „ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen“.

Im Frühjahr 2020 mochte noch durchaus fraglich sein, ob damals ein solcher Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Das galt insbesondere dann, wenn Gerichtsvollzieher auf ein diesbezügliches Schreiben der Justizverwaltung bzw. einen etwa fortbestehenden Aufnahmestopp für „Zivilhäftlinge“ in den Vollzugsanstalten verweisen konnte. Auch war die Problematik nicht zu verkennen, die darin bestanden hätte, dass Gläubiger von einem Vollstreckungsgericht erwarten, sich bei grundsätzlich fortbestehendem Pandemie-Risiko über die einschlägigen Bedenken von Gerichtsvollziehern – noch dazu bei ggf. fehlender Ausstattung durch den Dienstherrn mit geeigneter Schutzausrüstung – hinwegzusetzen. Aktuelle gerichtliche Entscheidungen hierzu sind damals allerdings nicht bekannt geworden.

Dass sich inzwischen die Lage etwas geändert hat, sollte aus den vorstehenden Hinweisen deutlich geworden sein; entsprechend erhöhen sich die Erfolgsaussichten entsprechender Rechtsbehelfe. Zumindest müssten Gerichtsvollzieher im Weigerungsfall konkrete Gründe vortragen, warum sie die beantragte Verhaftung eines Schuldners derzeit nicht ausführen können.

Allgemein hierzu führt Zehelein/Vuia (2020), „COVID-19, Miete in Zeiten von Corona“ in § 10 „Pandemiebedingte Fragen der Zwangsvollstreckung unter besonderer Berücksichtigung der Miete“ in Rn. 95 f. aus:

„(…)Vollstreckungen haben nur dann ausnahmsweise und ggf. vorläufig zu unterbleiben, wenn Sicherungsmaßnahmen nicht ausreichend oder ungeeignet sind, etwa weil sich der Schuldner oder eine in seinem Hausstand lebende Person mit dem sog. Coronavirus (SARS-CoV-2) infiziert haben. Bei Bestehen einer behördlich angeordneten Quarantänemaßnahme kommt allenfalls eine zeitliche Verschiebung der Vollstreckungsmaßnahme in Betracht…

Auf die Person des Gerichtsvollziehers kann bei der Beurteilung der Gefahrenlage nicht abgestellt werden, da es Sache des Dienstherrn ist, im Rahmen der diesen treffenden Fürsorgepflicht geeignete Maßnahmen zur Verringerung des Infektionsrisikos zu treffen…, insbesondere geeignete Schutzmaterialien (Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel, Spuckschutz etwa in Form von Plexiglastrennscheiben) zur Verfügung zu stellen oder bei Gerichtsvollziehern, die einer sog. Risikogruppe angehören, für eine Vertretung bezogen auf Tätigkeiten mit einer erhöhten Ansteckungsgefahr zu sorgen…“

4. Für die zeitliche Vollstreckungsmöglichkeit eines einschlägigen Haftbefehls gilt § 802h Abs. 1 ZPO. Danach ist die Vollziehung des Haftbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Haftbefehl erlassen wurde, zwei Jahre vergangen sind.