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1. Wahrscheinlichkeit des Schadens

  • BVerfG 17.11.2023 – 1 BvR 1037/23 (Rn. 43, 55); BVerfG 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14 (Rn. 25 ff., 37); BVerfG 24.3.2014 – 1 BvR 160/14 (Rn. 30 ff.) („Vorgaben zu Begründungspflichten, z.B. konkrete Benennung von Art und Schwere der drohenden Schäden, kein bloßer Verweis auf Sachverständigengutachten, insbesondere dann nicht, wenn sachverständige Person von unzutreffendem Maßstab ausgegangen ist, erhebliche Mängel des Gutachtens vorliegen oder die sachverständige Person selbst nicht von einer gegenwärtigen Kindeswohlgefährdung ausgegangen ist.“)
  • BVerfG 7.3.2023 – 1 BvR 221/23 („Keine zu hohen Anforderungen an Schadenseintrittswahrscheinlichkeit im Eilverfahren bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Kindes“ [Rn. 13]; „erneute Anhörung der Beteiligten im Eilverfahren verfassungsrechtlich nicht zwingend“ [Rn. 14]; „Einholung eines Sachverständigengutachtens im Eilverfahren grds. nicht erforderlich; Abweichung von Feststellungen und Wertungen einer sachverständigen Person möglich, sofern anderweitige verlässliche Entscheidungsgrundlage“ [Rn. 16 f.])
  • BVerfG 16.2.2023 – 1 BvR 2663/21 („Wenn ein Elternteil mit dem Kind untergetaucht ist und sich damit weitergehender Aufklärung vollständig entzogen hat, können Anhaltspunkte für das Vorenthalten altersadäquater sozialer Kontakte des Kindes und die damit völlig ungeklärte aktuelle Lebenssituation des Kindes für vorläufigen Entzug der elterlichen Sorge ohne weitergehende Ermittlung ausreichen“ [Rn. 7])
  • BGH 21.9.2022 – XII ZB 150/19 (Fortführung BGH 6.2.2019 – XII ZB 408/18)
  • BVerfG 16.9.2022 – 1 BvR 1807/20 (Fortführung „je-desto-Formel“) („Bestehen Anhaltspunkte, dass dem Kind durch eine Misshandlung erhebliche, unumkehrbar Schäden drohen, (…), verlangt ein Absehen von einer Trennung des Kindes von der Familie ein hohes Maß an Prognosesicherheit, dass dieser Schaden nicht eintreten wird. Dies schlägt sich in hohen Begründungsanforderungen einer Entscheidung nieder.“ [Rn. 43]; Der anzustellenden Gefahrenprognose "muss die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens Rechnung tragen. Das gerichtliche Verfahren muss geeignet und angemessen sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die vom Gericht anzustellende Prognose über die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu erlangen. Ob etwa Psychologen als Sachverständige hinzuzuziehen sind, um die für die Prognose notwendigen Erkenntnisse zu erlangen, muss das erkennende Gericht im Lichte seiner grundrechtlichen Schutzpflicht nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen.“ [Rn. 44]; "Bei dieser Prognose, ob eine solche erhebliche Gefährdung vorauszusehen ist, muss von Verfassungs wegen die drohende Schwere der Beeinträchtigung des Kindeswohls berücksichtigt werden. Je gewichtiger der zu erwartende Schaden für das Kind oder je weitreichender mit einer Beeinträchtigung des Kindeswohls zu rechnen ist, desto geringere Anforderungen müssen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung geschlossen werden kann, und desto weniger belastbar muss die Tatsachengrundlage sein, von der auf die Gefährdung des Kindeswohl geschlossen wird.“ [Rn. 45])
  • BVerfG 5.9.2022 – 1 BvR 65/22 (Rn. 22, 25 ff.) und VerfG 3.2.2017 – 1 BvR 2569/16 (Rn. 48 f.) ("Hält das Gericht eine Trennung des Kindes von den Eltern nicht oder nicht mehr für erforderlich, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist, hält die Entscheidung verfassungsgerichtlicher Kontrolle am Maßstab des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG grundsätzlich nur dann stand, wenn das Gericht in Auseinandersetzung mit den für eine nachhaltige Gefahr sprechenden Anhaltspunkten nachvollziehbar begründet, warum eine solche Gefahr für das Wohl des Kindes nicht vorliegt. Einer näheren Begründung bedarf es regelmäßig insbesondere dann, wenn das Gericht der Einschätzung der Sachverständigen oder der beteiligten Fachkräfte (insbesondere Verfahrensbeistand, Jugendamt, Familienhilfe, Vormund) nicht folgt, es liege eine die Trennung von Kind und Eltern gebietende Kindeswohlgefährdung vor. Zwar schließt die Verfassung nicht aus, dass das Fachgericht im Einzelfall von den Feststellungen und Wertungen dieser fachkundigen Personen abweicht. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht zu einer abweichenden Einschätzung und Bewertung von Art und Ausmaß einer Kindeswohlgefährdung gelangt. Es muss dann aber eine anderweitige verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung haben und diese offenlegen. Das Abweichen von den gegenläufigen Einschätzungen der fachkundigen Personen bedarf eingehender Begründung.")
  • BVerfG 5.9.2022 – 1 BvR 65/22 Rn. 21
  • BVerfG 5.9.2022 – 1 BvR 65/22 Rn. 20 („Eingriffsschwelle Kindeswohlgefährdung“) und BVerfG 3.2.2017 – 1 BvR 2569/16 Rn. 46 ("Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.“, und "Ob die Trennung des Kindes verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes verfassungsrechtlich geboten ist, hängt danach regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab. Dem muss die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens Rechnung tragen. Das gerichtliche Verfahren muss geeignet und angemessen sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die vom Gericht anzustellende Prognose über die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu erlangen. Ob etwa Psychologen als Sachverständige hinzuzuziehen sind, um die für die Prognose notwendigen Erkenntnisse zu erlangen, muss das erkennende Gericht im Lichte seiner grundrechtlichen Schutzpflicht nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen.“)
  • BVerfG 7.2.2022 – 1 BvR 1655/21 („Verstoß gegen einfachrechtliche Pflicht zur Kindesanhörung nach § 159 FamFG führt nicht zwingend zu Verfassungsverstoß“ [Rn. 9 ff.])
  • BVerfG 21.9.2020 – 1 BvR 528/19 („je-desto-Formel“) Schadenseintrittswahrscheinlichkeit nach BGH und BVerfG („Lässt sich (…) eine erhebliche Gefährdung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen, hängt die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines auf die Trennung des Kindes von den Eltern gerichteten Entzugs des Sorgerechts nach §§ 1666, 1666a BGB von der Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs in das Elternrecht ab. Die Verhältnismäßigkeit im verfassungsrechtlichen Sinne verlangt bei diesem Vorgehen keine weitere, eine höhere Sicherheit des Schadenseintritts erfordernde Prognose, wie sie der Bundesgerichtshof in der Auslegung von §§ 1666, 1666a BGB verlangt (...), weil dieser Gesichtspunkt bereits durch die Ausrichtung der Kindeswohlprüfung an der je-desto-Formel (siehe oben) berücksichtigt ist. Verfassungsrechtlich kommt es darauf an, dass der entsprechende Eingriff sich als geeignet, erforderlich und angemessen erweist.“ [Rn. 31])
  • BVerfG 10.6.2020 – 1 BvR 572/20 (Rn. 23) und BVerfG 26.4.2022 – 1 BvR 674/22 (Rn. 22, 25) („Gebot der konkreten Benennung der drohenden Schäden nach ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit und Bewertung dieser ist auch im einstweiligen Anordnungsverfahren erforderlich; Ausnahme: befürchtete sehr hohe Schadensintensität lassen aufgrund außergewöhnlichen Zeitdrucks notwendige Ermittlungen nicht zu; grds. unzureichend: Benennung von Verhaltensweisen der Eltern ohne Darlegung sich hieraus ergebender Konsequenzen für das Kind.“)
  • BGH 6.2.2019 – XII ZB 408/18 („hinreichende Wahrscheinlichkeit“)
  • BVerfG 23.4.2018 – 1 BvR 383/18 („Einholung eines Sachverständigengutachtens in Eilverfahren nicht zwingend“ [Rn. 18, 28])
  • BVerfG 13.7.2017 – 1 BvR 1202/17 („Fachgerichtliche Begründung wonach, Vormund „vorzugswürdig“ für das Kindeswohl sei, verkennt anwendbaren Prüfungsmaßstab: „die bloße Existenz „besserer“ Alternativen vermag den Entzug der elterlichen Sorge nicht zu rechtfertigen. [Rn. 22]; Ermittlungspflichten ("Weil bereits der vorläufige Entzug der gesamten Personensorge einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Eltern darstellt, sind grundsätzlich auch bei einer Sorgerechtsentziehung im Eilverfahren hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung zu stellen. Soll das Sorgerecht vorläufig entzogen werden, sind die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung umso höher, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden des Kindes wiegt, in je größerer zeitlicher Ferne der zu erwartende Schadenseintritt liegt und je weniger wahrscheinlich dieser ist.“ [Rn. 19])
  • BVerfG 22.5.2014 – 1 BvR 2882/13 Rn. 30 („Eingriffsschwelle Kindeswohlgefährdung“)
  • Schäder, Birgit in: Fegert u.a. (Hrsg.), Gute Kindesschutzverfahren, 2023:
    - Familiengerichtliche Maßnahmen zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung, S. 103-118 (relevant vor allem S. 113-116)
    - Voraussetzungen für kindesschutzrechtliche Maßnahmen: Tatbestand des § 1666 Abs. 1 BGB, S. 221-235
  • Schäder, Birgit, Überprüfung von Fremdunterbringungen nach der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG

 

2. Geeignete Hilfen

 

3. Unterschiedliche Einschätzungen

 

4. Verhältnis von Inobhutnahme und einstweiliger Anordnung